Montag, 30. November 2009

Scheinheiligkeit auf Hochtouren

Immer wieder habe ich mir erlaubt, die Scheinheiligkeit derer zu kritisieren, die sich heute "links" nennen. Der Kernpunkt war dabei immer, dass konsequentes Durchdenken der eigenen Positionen in der "Linken" schon längst durch reflexartiges Zuschnappen und verlässliches Einnehmen der Gegenposition des "Feindes" abgelöst worden ist. Die letzten Wochen haben das wieder einmal hervorragend vor Augen geführt.

Eben haben sie noch - inspiriert durch ein europäisches Gerichtsurteil - das Abmontieren der Kreuze in den Klassenzimmern gefordert und das mit den üblichen Standardargumenten zu untermauern versucht, jetzt liegt ihnen das sicherlich an politischer Dummheit kaum zu überbietende Schweizer Abstimmungsergebnis über ein Minarettverbot plötzlich schwer im Magen.
Reihenweise haben sie die Facebook-Startseiten des gesamten Freundeskreises mit der Nachricht "... ist der Gruppe Raus mit den Kreuzen aus den Klassenzimmern beigetreten." gefüllt und genauso reihenweise tun sie jetzt ihr Entsetzen über das Schweizer Minarettverbot und die ohnehin obsolete Diskussion über die Möglichkeit, Ähnliches in Österreich einzuführen, lauthals und wortschwallig kund.

Islam-Bashing ist böse

Wir können uns sicherlich schnell darauf einigen, dass das pauschale Losgehen auf den Islam nicht der politischen Kultur entspricht, die wir uns alle - ob links oder rechts - wünschen würden, aber die wir alle - ob links oder rechts - selbst offensichtlich nicht haben.
Denn schon der zarte Versuch, diese Aussagen über den Islam ein wenig zu verallgemeinern und auch auf andere Religionen zu beziehen, scheitert an der einfachen Tatsache, dass sich unter diesen anderen Religionen neben schützenswerten Orchideen auch die Mehrheitsreligion Christentum befindet.
Es ist schon klar, dass mit dem Christentum für die meisten dieser Menschen tiefgreifende, persönliche Verletzungsgeschichten verbunden sind und verschiedenste Erfahrungen mit der Kirche in ihrer jeweilig erlebten Form diese ablehnende Grundhaltung durchaus verständlich machen können.
Diese Verletzungsgeschichten sitzen meistens noch so tief, dass die Diskussion gleich auf die historischen Greuel- und Schandtaten natürlich hauptsächlich der katholischen Kirche gelenkt wird. Niemand, der an einem ernsthaften Dialog interessiert ist, wird sich aber auf die Aufrechnerei von Kreuzzügen und Hexenverfolgung gegen Guillotine, Holocaust und Intifadas einlassen. Nichts von dem entspricht auch nur im geringsten der Glaubenslehre, auf die es zurückgeführt wird - wem das nicht in vollem Umfang klar ist, der sollte sich aus solchen Diskussionen schnellstens verabschieden.

Trennung von Staat und Kirche

Der nächste Versuch einer Flucht nach vorne ist die Forderung nach einer Trennung von Staat und Kirche, oder - wie die wenigen Besonnenen unter den Dawkins-Jüngern formulieren - zwischen Staat und Religion. Dabei braucht man nicht einmal Böckenförde bemühen, um diese Forderung als eine kurzsichtige Hohlphrase aus ebensolchen Köpfen entlarven zu können. (Obwohl natürlich das Schildern des Scheiterns laizistisch verstandener Religionsfreiheit am Beispiel Frankreichs immer wieder ein Vergnügen ist).
Seit Böckenförde ist schon einmal klar, dass der Staat mit dem Instrumentarium, das ihm in einer freiheitlichen Rechtsordnung zur Verfügung steht, nicht in der Lage ist, die Voraussetzungen für das gesellschaftliche Zusammenleben zu schaffen. Wo ein Staat dies versucht, beschneidet er die Freiheit, die er seinen BürgerInnen eigentlich garantieren sollte.

Wer zu diesen Freiheiten auch die Religionsfreiheit zählt, wird sich über kurz oder lang nur mithilfe von Alkohol und Gras der Erkenntnis widersetzen können, dass eine Gesellschaft, in der Religionsfreiheit herrscht, schließlich aus Individuen bestehen wird, die auf die eine oder andere Weise und in unterschiedlichem Ausmaß religiös sind. Gut, zumal es noch nicht gelungen ist, eine vollkommen religionsfreie Gesellschaft ausfindig zu machen, wird man das jetzt nicht unbedingt als Folge der Religionsfreiheit sehen müssen - denn die Folge der Religionsfreiheit ist eine andere: Sie verpflichtet dazu, diese Religiosität auch zuzulassen.
Nun gehört der Aspekt der Gemeinschaft zu den Kernpunkten der meisten Religionen, folglich muss Religionsfreiheit auch die Bildung religiöser Gemeinschaften ermöglichen.
Die aus religiösen Individuen und Gemeinschaften bestehende Gesellschaft braucht nun grundlegende Regeln, wie sie mit religiöser Vielfalt umgeht. Sinnvollerweise wird sie diese finden, indem sie die Religionen, die zahlenmäßig am stärksten vertreten sind, in die Festlegung dieser Regeln einbindet und selbst zugleich Anwalt der numerisch Schwächeren wird.

Religionsfreiheit, aber...

Für alle religiösen Menschen und Gemeinschaften ist die Toleranz gegenüber andersgläubigen eine Herausforderung, die Balance zwischen eigener Glaubensüberzeugung und Offenheit für Andere fällt vielen schwer. Je gefestigter und institutionell gereifter eine Religion ist, desto eher gelingt es ihr, den Spagat zwischen eigenem Absolutheitsanspruch (den ja jede Religion hat) und dem Respekt für die Wege der Anderen mit einer gewissen Gelassenheit hinzulegen. Ein Vergleich zwischen Judentum, Christentum, Islam und Atheismus kann diese Faustregel schnell bestätigen: Während das Judentum Mission ablehnt ist die christliche Toleranz kaum ein halbes Jahrhundert alt; die vollkommen akoranische Interpretation des Djihad als bewaffneter Kampf zur Durchsetzung der Sharia ist im Islam zwar seit ein, zwei Jahrzehnten nicht mehr Common sense aber immer noch verbreitete Auffassung und der Atheismus, die jüngste der genannten Religionen, lässt jegliche Form von Respekt und Toleranz anderen gegenüber vollkommen vermissen und stellt sich gar nicht einmal als Religion dar, sondern als unumstößlich bewiesene Wahrheit, deren Bestreiten nur als Mangel an Geisteskraft erklärt werden darf.

Religionsfreiheit kann daher nur funktionieren, wenn die Gesellschaft - jetzt brauchen wir doch ein bisschen Böckenförde - die historisch gewachsenen und sich stetig veränderten religiösen Rahmenbedingungen zulässt, fördert und ihnen Raum gibt. Aufgabe des Staates ist es dabei, den Religionsgemeinschaften Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen und sie im öffentlichen Leben zu integrieren, ihre gesellschaftlichen und kulturellen Beiträge zu würdigen und allenfalls auch auf der Erfüllung ihrer Aufgaben zu beharren. Kein Land wird dabei seine eigene, religiöse Vorgeschichte ausblenden können und dürfen. Das Ungleichgewicht zwischen Traditions- bzw. Mehrheitsreligion (vor allem wenn eine Religion beides ist) auf der einen Seite und neuen und Minderheitsreligionen andererseits entsteht dabei zwangsläufig. Diese Spannung ist nicht nur auszuhalten, sondern sie ist sogar notwendig und man kann es durchaus als eine gewisse Erbsenzählermentalität werten, wenn das als Ungerechtigkeit empfunden wird.

Kreuze, Minarette ... who cares

In einem Diskussionsforum hat neulich ein User in Anlehnung an Bonhoeffer den Satz gepostet "Nur wer für Minarette schreit, darf für das Kreuz in Schulklassen eintreten". Ein Ansatz, der schon einmal in die richtige Richtung geht (obschon er eine gewisse Schwierigkeit mit sich bringt, denn die Steine die kleinen, orthodoxen Ordensgemeinschaften in den Weg gelegt werden, wenn sie ihr altes Kloster in Anatolien renovieren und beziehen wollen, können einen da schon in Argumentationsnot bringen; doch auch hier ist Gegenrechnen nicht der Weg zum Ziel und zudem folgt die Türkei ja einem ähnlichen Staatsgrundmodell wie Frankreich, was wie schon angedeutet einiges erklärt - wenn auch nicht rechtfertigt). Dieser Satz, der ein Engagement für die Religionsfreiheit anstelle eines Engagements zugunsten einer bestimmten Religion fordert, der freilich überfordert die selbsternannte Linke, die sich mehr dem eigenen Beißreflex als ihren hehren Prinzipien verpflichtet sieht. Eine Gesellschaft, die religiöse Vielfalt nicht ertragen kann, ist nämlich auch nicht reif für eine positive Religionsfreiheit und die oft geforderte, negative Religionsfreiheit - ich nenne sie lieber laizistische Religionsfreiheit - ist de facto keine.
Nicht nur, weil nahezu alle Religionen - vor allem das Christentum - die eigene, gesellschaftsprägende und gesellschaftstragende Funktion als unverzichtbaren Teil der Glaubenspraxis sehen, sondern auch weil jeder Staat und jede Gesellschaft letztlich genau darauf angewiesen ist, kann Religionsfreiheit nur in einem pluralistischen Sinn überhaupt verstanden werden. Jede andere Position ist letztlich inkonsequent und scheinheilig.

Freitag, 27. November 2009

Relireg wird one!

Ohne Untermalung durch die britische Popband Noah and the Whale und völlig ohne kommerzielle Hintergedanken möchte ich an dieser Stelle die Tatsache erwähnen, dass dieser Blog heute seinen ersten Geburtstag feiert.

Zeit für einen kleinen Rückblick
Anfangs war nicht klar, was daraus werden sollte, nicht einmal, wie sehr ich als Autor von hier aus identifizierbar sein möchte, war irgendwie entschieden.
Inzwischen hat es sich längst schon so entwickelt, dass auch LeserInnen mit nur geringer detektivischer Begabung herausfinden können, welcher Name hinter dem Blog steht. Spätestens seit dem zweiten Blogeintrag, der in einem auflageschwachen Printmedium veröffentlicht wurde, ist das kein anonymer Blog mehr.
Die vor einem Jahr aufgeflackerte - und dann schnell wieder eingeschlafene - Diskussion um Kirche und Sexualmoral war ebenso Thema wie die Frage der Kinderfreundlichkeit unserer Gesellschaft. Sehr persönliche Gedanken über die virtuelle Realität und über die Rolle traditioneller Feste in unserer Gesellschaft haben dem Blog schon Ende 2008 den ersten Abonnenten beschert - bis heute habe ich keine Ahnung, wer das ist ... vielleicht der Spitzel aus dem Schulamt?
Im Jänner prägte eines meiner Lieblingsaufregerthemen die Diskussionen: Atheismus - oder das, was sich dafür hält. Die Diskussionen um LehrerInnenarbeitszeit schlugen sich ebenso im Blog nieder wie persönliche Erfahrungen und Erlebnisse - die offenbar weitere LeserInnen anlockten.

Eines hat sich nicht verändert, seit November 2008: Was nun weiter mit diesem Blog werden soll, das weiß ich immer noch nicht. Das wird sich im Laufe des zweiten Jahres zeigen.

Mittwoch, 11. November 2009

10 Jahre danach - 10 años después II

Jetzt hab ich schon vorige Woche vom 5. November 1999 erzählt, jetzt kann ich mir den 12. November 1999 natürlich nicht ersparen:
Für diesen Tag verzeichnet mein ewiger Revolutionskalender:
"1999 - Renuncia Francisco Barnés a la rectoría de la UNAM."
Wäre doch eine Herausforderung für die Protestbewegung, oder?
Muss ja nicht Winckler sein, der Rektor der Kunst-Uni würd fürs erste auch reichen!

Donnerstag, 5. November 2009

10 Jahre danach - 10 años después

Ich erinnere mich noch gut an den 5. November 1999 - ich studierte damals an der bestreikten Universidad Nacional Autónoma de México: die Straßen von Mexico-City, insbesondere der Periférico (das kann man sich so vorstellen wie Gürtel, Tangente, und S1 zusammen und das Ganze dann mal vier) waren gesperrt, weil die streikenden Studierenden der UNAM zum zweiten Mal zu einem Demonstrationszug aufgerufen hatten.

Von einem konkreten Anlass ausgehend haben die Studierenden im Frühjahr 1999 die Universität bestreikt, um über den konkreten Anlass hinaus gegen eine Verwirtschaftlichung und Vermarktung von Bildung zu protestieren, mit der unweigerlich eine Privatisierung und letztlich ein Vorbehalten der Bildung für jene, die es sich leisten können, einhergegangen ist.

Die Geschwindigkeit, mit der politische Entwicklungen von Amerika nach Europa kommen steigt seit den 90er-Jahren beständig - die Geschwindigkeit, mit der sie hier bei der Bevölkerung ankommen ist allerdings unverändert langsam.

Am 5. November 2009 machen die österreichischen Studierenden etwas Ähnliches. Die Gesetze, die Grundlage für all das sind, wogegen protestiert wird, sind fünf bis sieben Jahre alt - die politischen Diskussionen, die zu diesen Gesetzen geführt haben, sind acht bis zwölf Jahre her (bereits BM Einem hat den Einstieg in den Bologna-Prozess eingeläutet). Schade, dass das nicht vor 10 Jahren passiert ist.

Mittwoch, 4. November 2009

Anfragen an die Befreiungstheologie in Europa

Vor einem befreiungstheologischen Publikum wäre es wahrscheinlich peinlich, jedenfalls aber riskant, mit den Grundfragen der Theologie der Befreiung anzukommen und ernsthaft in die Runde zu fragen:
Befreiung - wovon?
Befreiung - wozu?
Wer sich heute nach der Rolle der Theologie der Befreiung in Europa frägt, muss zwangsläufig feststellen: Zwar ist der proklamierte Tod der Theologie der Befreiung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ausgeblieben, aber er scheint jetzt zu kommen, unmittelbar nachdem die Finanz- und Wirtschaftskrise allen KritikerInnen von Neoliberalismus und Globalisierung ein vorübergehendes Hoch beschert hatte. Es scheinen nun wiederum genau jene politischen Kräfte im Aufwind zu sein, deren Hauptanliegen es ist, den Urhebern der Krise freie Hand zu lassen und neues Kapital zu sichern. Möglicherweise war diese Krise doch nicht so final, wie es Leonardo Boff konstatiert hat, oder wir bezahlen heute alle dafür, dass diese Finalität noch ein bisschen hinausgezögert wird. In jedem Fall scheint das kurze Zeitfenster, während dessen im öffentlichen Diskurs Raum für Ansätze von Globalisierungskritik, Befreiungstheologie, Schöpfungsverantwortung und andere grundlegende Sozialfragen war offenkundig zu kurz, um nachhaltig Themen darin zu platzieren.

Grundsatzfragen gefragt!

Das wirft die Befreiungstheologie natürlich auf die Frage nach der Positionierung während und nach der Krise. Die Fragen nach dem Ursprünglichen, nach dem Grundsätzlichen einer Denkrichtung sollen immer ihren Raum haben - sie nehmen die Rolle des Stachels im Fleisch ein, an den man sich zwar bisweilen gewöhnen kann, der sich dann aber immer wieder schmerzlich in Erinnerung ruft und vor dem Abgleiten in den Fundamentalismus schützen will.

Wozu also Befreiung? Einige vielleicht fatalistisch-oberflächliche Gedanken dazu:
Es geht um die Armen - Jon Sobrino bringt das immer wieder in Abwandlung einer auf Cyprian von Karthago zurückgehenden Formel zum Ausdruck: extra pauperes nulla salus.
Ethische Spitzfindigkeiten wie die Frage danach, wer die Armen befreit (wir? sie selbst? Gott? alle zusammen?) will ich einmal bei Seite lassen und direkt auf das Ziel der Befreiung kommen:
Wenn es um die Befreiung für die Armen geht, dann müssen wir uns die Frage erlauben - wenn die Armen befreit sind von den Sorgen der Armut, der Unterdrückung, der Ausbeutung ... was erwartet diese Menschen dann? Doch wohl nicht neue Sorgen: Die Sorge um den Besitz, Sorge um das Eigentum? Könnte man womöglich sogar zynisch (und wie gesagt oberflächlich-fatalistisch) der europäischen Befreiungstheologie nicht vorwerfen, nur ihre eigenen Sorgen in die Welt der Armen exportieren zu wollen?
Hab ich mein Auto zugesperrt, wo ist meine Geldbörse, warum sind die Zinsen so niedrig, ist mein Fahrrad gut angekettet oder sieht es klapprig genug aus, sodass niemand es stehlen würde, komme ich auch pünktlich zur Arbeit, wird das Finanzamt auf meinen Nebenverdienst stoßen, was denken meine Kollegen über mich, werde ich beruflich weiterkommen oder werde ich dazu einen Zahnersatz brauchen?
Diese Fragen erinnern an die Geschichte vom Manager und vom Fischer, die im Internet kursiert:

Ein New Yorker Börsenmakler stand in einem kleinen mexikanischen Fischerdorf am Pier und beobachtete, wie ein kleines Fischerboot mit einem Fischer an Bord anlegte. Er hatte einige riesige Thunfische geladen. Der Amerikaner gratulierte dem Mexikaner zu seinem prächtigen Fang und fragte wie lange er dazu gebraucht hatte. Der Mexikaner antwortete: “Ein paar Stunden nur. Nicht lange.” Daraufhin fragte der Manager, warum er denn nicht länger auf See geblieben ist, um noch mehr zu fangen. Der Fischer sagte, die Fische reichen ihm, um seine Familie die nächsten Tage zu versorgen. Der Makler wiederum fragte: “Aber was tun sie denn mit dem Rest des Tages?” Der mexikanische Fischer erklärte: “Ich schlafe morgens aus, gehe ein bisschen fischen, spiele mit meinen Kindern, mache mit meiner Frau Maria nach dem Mittagessen eine Siesta, gehe in das Dorf spazieren, trinke dort ein Gläschen Wein und spiele Gitarre mit meinen Freunden. Sie sehen, ich habe ein ausgefülltes Leben.”
Der New Yorker erklärte: “Ich bin ein Harvard Absolvent und verdiene eine Menge Geld darin, Leute zu beraten. Ihnen helfe ich gerne kostenlos weiter. Sie sollten mehr Zeit mit Fischen verbringen und von dem Erlös ein größeres Boot kaufen. Mit dem Erlös hiervon wiederum könnten sie mehrere Boote kaufen, bis sie eine ganze Flotte haben. Statt den Fang an einen Händler zu verkaufen, könnten sie direkt an eine Fischfabrik verkaufen und schließlich eine eigene Fischverarbeitungsfabrik eröffnen. Sie könnten Produktion, Verarbeitung und Vertrieb selbst kontrollieren. Sie könnten dann dieses kleine Fischerdorf verlassen und nach Mexiko City oder Los Angeles und vielleicht sogar New York umziehen, von wo aus sie dann ihr florierendes Unternehmen leiten.”
Der Mexikaner hatte aufmerksam und schweigend zugehört: “Und wie lange wird dies dauern?” – “Hmmm…”, überlegte der Manager, “So etwa 15 bis 20 Jahre.” Der Mexikaner fragte: “Und was dann, mein Herr?”

Der Amerikaner lachte und sagte: “Dann kommt das Beste. Wenn die Zeit reif ist, könnten sie mit Ihrem Unternehmen an die Börse gehen, Ihre Unternehmensteile verkaufen und sehr reich werden. Sie könnten Millionen verdienen.” Der Fischer schüttelte unglaubwürdig den Kopf. “Millionen? … Und was dann?”

“Dann könnten sie aufhören zu arbeiten! Sie könnten in ein kleines Fischerdorf an der Küste ziehen, morgens lange ausschlafen, ein bisschen fischen gehen, mit Ihren Kindern spielen, eine Siesta mit Ihrer Frau machen, in das Dorf spazieren gehen, am Abend ein Gläschen Wein genießen und mit Ihren Freunden Gitarre spielen.”
(http://www.andersdenken.at/story-und-was-dann/)
Diese Geschichte liefert vielleicht einen Anhaltspunkt zum Weiterdenken, aber es ist jetzt nicht mein Ziel, diese Fragen zu beantworten. Das könnte ich wahrscheinlich auch garnicht. Darüber nachzudenken und zu diskutieren halte ich allerdings für unerlässlich, denn eine Idee, die aufhört, sich selbst zu hinterfragen, verkommt unweigerlich zur Ideologie.

Aufgabe der Befreiungstheologie heute?

Es wird niemand bestreiten, dass es immer Aufgabe der Theologie der Befreiung sein wird, bei den Armen zu sein. Es wird aber immer wieder auch notwendig sein, das Ziel dieses Beisammenseins zu hinterfragen und fallweise auch neu zu bestimmen. Dabei will ich garnicht auf die hinlänglich bekannten Gefahren von Paternalismus, Exotismus und anderen Formen wohltätiger Selbstbefriedigung eingehen, obwohl auch die immer wieder zur Diskussion gestellt werden sollten.
Vielmehr stellt sich die Frage, was heutige Ziele der Befreiungstheologie sein können, sollen, müssen - oder systematischer: worin aus heutiger Sicht ein Programm der Theologie der Befreiung bestehen könnte.
  • Ob die Befreiung von der Armut im wirtschaftlichen Sinn ein solches Ziel sein kann (bzw. jemals war) ist mehr als fraglich: Strukturell organisierte, eingespielte und festgefahrene Ausbeutung kann und will vermutlich niemand hinnehmen, dem Theologie der Befreiung ein Anliegen ist. Teils haben sich die Formen von Unterdrückung verändert - teils auch wiederum nicht. Ausbeutung passiert immer noch, in manchen Bereichen haben nur die Ausbeuter ihr Verhältnis zur Politik neu geordnet - die Ausbeuter aus der Wirtschaft haben die Ausbeuter und Unterdrücker aus der Politik teilweise abgelöst, teilweise diese selbst unterjocht.
  • Das nordamerikanische Christentum, das sich durch seine Selbstkommodifizierungstendenzen aus unserer Sicht zum Komplizen des Neoliberalismus gemacht hat, dringt vor allem mit der gezielten Jenseitsvertröstung erfolgreich in die Welt der Armen vor.
  • Komplexität und Verstrickung sind meist derart fortgeschritten, dass strukturelle Förderung oft in den Bereich der Unmöglichkeit rutscht und gar nicht mehr erwünscht ist - Arme wollen womöglich nicht befreit werden, sondern sie erwarten, dass man ihnen das Armsein, das Ausgebeutet-werden erträglicher macht - was Evangelikale zu bieten haben, Befreiungstheologen aber kaum guten Gewissens bieten werden können. (Klassisches Beispiel: Kinderarbeit!).
Was kann also eine (europäische) Theologie der Befreiung heute tun?

Eine hoffentlich unvollständige Liste von Optionen

Konzentration auf Europa: Häufig wird die Ansicht vertreten, die Aufgaben der Theologie der Befreiung wären heute mehr als wo anders hier vor Ort zu suchen und zu finden. Armut wird in Mitteleuropa ein immer bedeutenderes Thema, die Bildungspolitik tritt jegliches intellektuelle Potential mit den Füßen, die zunehmende Zahl an nicht mehr diskutierbaren Fragen, die Werte und Normen auf dem Weg zu einer neuen Form von radikalem Utilitarismus und nicht zuletzt die Wohlstandsverwahrlosung, Vereinsamung und Sinnleere böten ja tatsächlich genug Aufgaben, denen sich moderne, europäische Befreiungstheologie stellen könnte. Da ist es - so hört man bisweilen - garnicht wirklich nötig, die Armut in anderen Ländern als Betätigungsfeld zu beanspruchen.
Konzentration auf Strukturfragen: Immer wieder kommt die Tendenz zu tragen, dass man sich doch nicht im unüberschaubaren Sumpf der verschiedensten Basisgemeinden seine Kräfte rauben sollte, sondern vielmehr gebündelt gegen die strukturelle Unterdrückung vorgehen müsste. Die Exodus-Geschichte muss hier oft Pate stehen für politische Revolutionsphantasien und das Ägypten von heute - der Welthandel? - wird zum Feind des Gottesvolkes, nicht der einzelne Ägytper, der an der Unterdrückung verdient. Das macht auch durchaus mehr Sinn, als wie Sisyphos einzelne Steine den Berg hinauf zu rollen.
Konzentration auf konkrete Entwicklungshilfe: Die Gegentendenz stellt wieder das einzelne Projekt in den Vordergrund, es geht darum, an möglichst vielen einzelnen Punkten Entwicklungshilfe zu ermöglichen und zu leisten. Dabei sollten theologische, politische und vor allem ideologische Programme in den Hintergrund treten.

Pluralismus als Zukunftsstrategie

Die vorgeschlagenen Ausrichtungen von befreiungstheologischer Arbeit haben alle ihre Stärken und - solange sie alleine für sich betrachtet werden - auch ihre Fehler. Eine gegenwärtige Theologie der Befreiung muss sich darauf einrichten, diese und andere Strategien neben- und miteinander ohne Unterschied in der Wertigkeit und mit einem viel höheren Grad an Vernetzung zu fördern und zu betreiben. Dazu ist ein theoretisches Fundament ebenso unverzichtbar wie eine massive Steigerung an Kommunikabilität und Vermittlungsarbeit.
Es müssen neue Felder erschlossen werden, sowohl regional, wie auch sektoral und fachlich-theoretisch. Als erstes aber muss die Theologie der Befreiung kommuniziert werden und kommunizierbar gemacht werden. Befreiungstheologie gehört in die Religionspädagogik ebenso wie in die Pfarrgemeinden und vor allem auch in die Medien.

Selbstkritik und Selbstreflexion

Ist das nicht eigentlich eh schon so? Auf den ersten Blick scheinen diese Impulse faktische Nullstellen zu sein, die einen Zustand fordern, der ja ohnehin herrscht. Tatsächlich werden unterschiedlichste Initiativen befördert und die Aktiven in hochländischen Kleinbauernkooperativen unterschreiben brav jede ATAC-Petition, kaum ein Lateinamerika-Aktivist, der nicht auch ein Auge auf die Situation in Europa hätte und die Zusammenarbeit zwischen Organisationen, die unterschiedliche Anliegen befördern, existiert ja auch.
Doch stimmt das wirklich?
  • Wenn ich Unterricht zu Themen der Befreiungstheologie vorbereite, lande ich letztlich immer beim Material sozialistischer und kommunistischer Organisationen, während die durchaus auch existierenden Materialien der kirchlichen Einrichtungen in irgendwelchen Regalen stehen.
  • Wenn nicht Leo Maasburg mit einem unqualifizierten Rundumschlag gegen die Befreiungstheologie auf sich aufmerksam gemacht hätte, wäre die regelrechte Umvolkung bei Missio Austria an einem Großteil der befreiungstheologischen Szene spurlos vorübergegangen.
  • Die Weiterentwicklung der befreiungstheologischen Theorie hat sich (Hand in Hand mit Teilen - oder Überresten? - der intellektuellen Linken) aus dem ideologieübergreifenden Deutungshorizont verabschiedet und scheint in eine Phase der Kommodifizierung zu treten, in der weder der wegbrechende Dialog mit dem Sozialismus noch der längst eingeschlafene Dialog mit dem übrigen Christentum als Mangel empfunden werden.
  • Wenn Befreiungstheologie in einer breiten Öffentlichkeit thematisiert wird, dann ist das in den meisten Fällen der Verdienst der Glaubenskongregation.




Sonntag, 1. November 2009

Neue Ethik - neue Spiritualität


Der ÖH an der Katholisch-Theologischen Fakultät ist diesem Herbst ein Coup gelungen, den ihr nicht so schnell jemand nachmachen können wird. Nach turbulenter Vorgeschichte holte man Leonardo Boff an die Uni - in Kooperation mit der DKA und der Schwestern-FV und mit den beiden Fakultätsleitungen. Dieser Blog hat schon vom Zustand des Hörsaals, der dafür vorgesehen war (der größte unserer Fakultät) berichtet, auch von der Übersiedlung in einen anderen Hörsaal. (Hier zur Illustration noch ein Bild von Hörsaal 47 [(C) Florian Mayr])
Krise und Co.
Der Vortrag begann wie der Auftritt eines Pop-Stars - man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Begeisterung der Massen (wie selten man dieses Wort für eine Veranstaltung an unserer Fakultät verwenden kann!) auch nicht gebrochen wäre, wenn Boff begonnen hätte "Alle meine Entlein" zu singen.
Anfangs war man fast geneigt, so etwas zu erwarten: Inhaltlich auf der Ebene eines mittelmäßig aufmerksamen Nachrichtenkonsumenten schilderte Boff die gegenwärtige Krise, oder besser, das gegenwärtige Krisenkonglomerat. Doch schon bald wurden die grauen Zellen wirklich gefordert und aus dem, was zuerst nach der Einstimmung auf ein Miss-America-Plädoyer für Weltfrieden klang, wurde handfeste Regierungskritik: Die Art und das Ausmaß der Krise im Verhältnis zum System wurden angefragt und erläutert - mit dem Schluss, dass jeder vernünftigen Systemtheorie nach diese Krise eine finale sein sollte, die dieses System in seinen Grundfesten erschüttert und infrage stellt. Ob das so stimmt und ob die Politik nicht gerade dafür verantwortlich ist, dass Opfer der Krise zu Systemerhaltern werden, das blieb leider offen und ist möglicherweise nur ein US-Amerikanisch-Europäisches Problem.
Relationen und Konsequenzen
Spannender wurde es ohnehin, als Boff begann, ein wenig "aus dem Nähkästchen" zu plaudern und das Auditorium an seinen Erfahrungen vor allem mit UN-Gremien teilhaben ließ. Die Perversität mancher Zahlenrelationen (etwa Rüstungsausgaben versus Hunger) bewusst zu machen war der nächste Schritt. Die Gaia-Hypothese von Lovelock eignet sich hervorragend dazu, diese Relationen zu einem ethischen Imperativ umzubauen und genau das tat Boff: Die Erde als lebender Organismus, der unter der parasitären Symbiose mit den Menschen leidet - Klimaerwärmung, Abfischung, Abholzung, ... - also doch eine Miss-America-Ansprache? Mitnichten!
Spirituelle Dimensionen
Wenn Religion als anthropologische Grunddimension gelten soll, dann müssen wir in der Lage sein,auch Spiritualität als eine im Menschen von Natur aus angelegte Verfasstheit zu definieren und zu beschreiben.
Spiritualität ist in jedem Fall die im Menschen verankerte Opposition zu Markt, Ausbeutung und Unterdrückung. Boff verdeutlichte, wie sehr es heute darauf ankommen würde, dass die gesamte Kirche, alle Kirchen und alle Religionen sich für die Pflege und Wiederentdeckung dieser menschlichen Dimension stark machen.
Auf dieser Ebene setzt Boff auch das ethisch-moralische Engagement an, das er für einen konstruktiven Ausgang dieser Krise für notwendig hält:
* Lösung vom Ohnmachtsgefühl des "Nichts-Tun/Bewirken-Könnens" durch eine Stärkung des Selbstbewusstseins: Wer sich selbst als Teil der Welt wahrnimmt, wird erkennen können, dass er zwar nicht die Welt ändern kann, aber einen Teil davon, der er selbst ist.
* Wahrnehmung von Zusammenhängen: Wenn ich mich selbst ändere, ändere ich alles, was mit mir zu tun hat - meine Umgebung wird anders.
Wir und die Welt
Das bringt mich zu den abschließenden Fragen: Die zentralen christlichen Werte von Solidarität mit den Armen, Schöpfungsverantwortung und Nachhaltigkeit wurden im Christentum im Laufe seiner Geschichte bisweilen vernachlässigt und u.a. zugunsten plumper Moral zurückgedrängt. Dass diese Werte heute nicht mehr nur christliche sind, sondern - eine kleine Anleihe bei Küng? - über die Grenzen von Religionen und Ideologien hinausgehen, das kann als Subtext des gesamten Vortrages gesehen werden. So gesehen muss man manchen Herrschaften dankbar sein, dass sie das in der Fragerunde noch einmal deutlicher herausgearbeitet haben.

(Leonardo Boff mit Franz Helm beim Vortrag im HS 33 der Universität Wien -

mit freundlicher Genehmigung der Fakultätsvertretung
; (c) P. Christian Tauchner)

Hinweis: Auf der Internetseite der Fakultätsvertretung Katholische Theologie der Universität Wien findet sich der Vortrag zum Nachhören!

Freitag, 30. Oktober 2009

Hörsaalbesetzung

Heute begab ich mich kurz nach 18 Uhr an die Universität Wien zum Hörsaal 47, wo für 18:30 ein Vortrag angekündigt war. Ich traute meinen Augen nicht, als ich am Ende der Stiege auf eine Menschentraube auflief, die in den Hörsaal hineinwollte.
Noch weniger traute ich meinen Augen, als ich in den Hörsaal kam: alle Sitzplätze restlos besetzt, Leute auf den Stufen und SeniorInnen am Fensterbrett - am mittleren, zwei Meter hoch, keine Ahnung, wie die da raufgekommen sind. Der Boden rund um den Pult, die Heizkörper und alles andere, wo man noch sitzen oder stehen konnte, war auch besetzt. Kurzum, es sah ärger aus als in den Braulik- und Wucherer-Vorlesungen in meinen ersten Semestern. An das stattfinden des Vortrags war nicht zu denken.
Ergo: Übersiedeln in den Hörsaal 33, der dem Vernehmen nach für 240 Personen Sitzplätze bieten soll. Was auf der Galerie los war, kann ich garnicht sagen, unten bot sich aber nach dem Eintreffen der Hörsaalbesetzer aus HS 47 wieder ein ähnliches Bild: In den Bänken saßen die Leute Hintern an Hintern, auf den Fensterbrettern - die hier nicht so hoch sind - genauso und einige begnügten sich mit Stehplätzen.
Dann konnte der Vortrag stattfinden: es sprach der brasilianische Universitätsprofessor und Befreiungstheologe Leonardo Boff. Das allerdings ist einen eigenen Blog-Eintrag wert.

Sonntag, 25. Oktober 2009

Zitate

non bene olet qui bene semper olet
(M.V.Martialis)

In der Fernseh-Krimi-Serie "Der Bulle von Tölz" hat Benno dieses Zitat ins Bayrische übersetzt: "Wer immer gut riacht, der stinkt."
Leute, die immer gut drauf sind, immer lachen, ständig gute Laune versprühen und andere damit bekleckern wollen, sind mir zutiefst unsympathisch. Was soll denn das? Ich will meine schlechten Tage haben dürfen, ich will grantig sein dürfen, wenn mich was ärgert. Ich will nicht dauernd den gut gelaunten, tollen, unbeschwerten Lebemenschen spielen müssen, wenn mir ein Drittel meiner Umwelt einfach nur auf die Nerven geht, das zweite Drittel kaum noch mit mir spricht und das dritte Drittel gerade auf Ego-Tripp ist. Warum denn? Fürs Magengeschwür sorgt meine tägliche Kaffee-Überdosis schon alleine, da brauch ich nicht nachhelfen.

**********************************************

Silence! I kill you!
(Achmed the dead terrorist)

Pädagogisch wertvoll in einem Saal für Ruhe sorgen! Kann schon sein, dass man als lebendiger Christ gegenüber einem Made-in-Taiwan-Skelett, das einen verblichenen Terroristen verkörpert, schon ein bisschen im Nachteil ist, aber was solls ...

**********************************************

"Freund in der Not" will nicht viel heißen;
hilfreich möchte sich mancher erweisen.
Aber die neidlos dein Glück dir gönnen.
die darfst du wahrlich Freunde nennen.

(P. Heyse)

Muss ich mir eigentlich sagen lassen, dass mein Freundeskreis schlechter ist als andere, nur weil nicht mindestens zwei bis fünf Personen darunter sind, die bei jeder Gelegenheit an jede Art von Tür klopfen und mir wie Vampire meine Zeit wegsaugen? Weil ich im Skype online gehen kann, ohne von gelangweilten Personen angequatscht zu werden? Weil ich nicht alle paar Tage irgendwo mit irgendwem nur auf einen Kaffe gehen muss? Weil ich Freunde habe, die nicht ständig auf der Matte stehen, und das ohne dass ich sie vorher beleidigt habe?
Ich denke schon, meine Freunde sind da, wenn ich sie brauche und wenn es was zum Feiern und Freuen gibt. Letzteres hab ich allerdings schon lange nicht mehr unter Beweis stellen können. Es wird Zeit.

**********************************************

Wer glaubt, nur von lauter Arschlöchern umgeben zu sein, ist meistens von Menschen umgeben, die auf sein Verhalten reagieren.
(L. Caleigh)

Alle Welt ist böse! Nichts klappt so, wie ich es will! Gegen Mitleidserreger dieser Art wäre schon längst eine Impfung fällig, wenn man mich fragt. Sie mögen vielleicht weniger Erbrechen erregen als die oben erwähnten Dauer-Schönwetter-Menschen, aber was hilft es schon, wenn ein Ding weniger schlimm ist als ein anderes, solange es eben schlimm ist.
Und es nervt tierisch, wenn Menschen sich darüber beklagen, wie KollegInnen sie nicht so behandeln, wie sie es möchten; der Partner oder die Partnerin komischerweise spätestens nach einem halben Jahr Beziehung genau die selben Defizite zeigt wie der Vorgänger oder die Vorgängerin; die Kinder es (natürlich aus Gründen, die selbstverständlich völlig unerklärlich sind) nie schaffen, von selbst zu merken, wann "schluss mit lustig" ist und es auch auf ausdrückliche Hinweise hin nicht glauben wollen; und die Familie erst ... die Mutter, die just an dem Tag ins Spital gefahren werden will, an dem ein tolles Programm im Fernsehen gewesen wäre - der Vater, der genau dann Hilfe bei der Gartenarbeit braucht, wenn die Geliebte einmal Zeit hätte - die Tante, deren runder Geburtstag mit einem Dart-Turnier kollidiert - und,und,und ...
Ja, das machen die alle mit Absicht, weil sie so böse Menschen sind und einer bestimmten Person das Leben schwer machen wollen. Geht ja nicht, dass das Leben für alle ein Honiglecken ist, da muss eine Ausnahme her!

**********************************************

Donnerstag, 22. Oktober 2009

4 Little Aliens und 103 SchülerInnen

Nina Kusturicas viel beachteter Film "Little Alien" lockte mich gleich mit vier Klassen ins Kino - und aus meiner Sicht hat es sich ausgezahlt:
Die SchülerInnen konnten einmal einen Eindruck davon gewinnen, was sich im Leben einzelner, ungefähr gleichaltriger so alles abspielt. Und das ist eine Art von Unterricht, die mehr Wert hat als alles theoretische Wissen, dass man ihnen in dieser Zeit vermitteln hätte können.
Während man während des Films noch in manchen Reaktionen und Gesichtern einen gewissen Unglauben erkennen konnte - durch manche Köpfe sind wohl Gedanken gegeistert wie: "Übertreiben die nicht?" ... "Sind diese Szenen echt?" ... "Ist ja bloß ein Film!" - so haben die ProtagonistInnen, die dann in den Kino-Saal kamen, doch den meisten den Ernst der Dokumentation vermitteln können.
Die hervorragende Moderation von Nora Friedel und die authentische Wirkung der ProtagonistInnen im Saal haben entscheidend zur Wirkung des Films beigetragen.
Eindeutig sehenswert und für SchülerInnen von 14 aufwärts durchaus geeignet. Letztlich würde trotz bester Vor- und Nachbereitung dem Film etwas fehlen, wenn man ihn in der Klasse über DVD zeigen würde. Die ist aber ohnehin frühestens Herbst 2010 erhältlich.
Informationen und Materialien zum Film

Mittwoch, 7. Oktober 2009

Lapsus magnus mit der kleinen Schwester

Damits auch mal wieder was zum Lachen gibt: Ich mache am Beginn des Schuljahres immer die Wiederholung zum Thema "Wie finde ich mich in der Bibel zurecht" - da schreib ich dann immer ein paar Stellen an die Tafel, die mir halt so einfallen, Mt 7,12 und Gen 2,4a und 1Kor 13,13 - manchmal auch ein paar unbekanntere und natürlich die ganzen Ausnahmen und Besonderheiten Sirach, Jesaja, Kolosser-Kohelet-Korinther ...
An sich kein Problem, funktioniert immer recht gut und die SchülerInnen sind voll dabei.
Hin und wieder erlaube ich mir die Frivolität und lasse nach Koh 4,11 und Hld 6,8 suchen. Sorgt meistens für Schmunzeln und lockert das Ganze auf. So nebenbei hat das auch noch den Effekt, dass das Staunen darüber, was nicht alles in der Bibel steht, die notwendige Neugier für die kommenden Themen schafft.
Letztens ist mir irgendetwas durcheinander gekommen und ich habe in einer zweiten Klasse (sprich mitten unter lauter Elf- bis Zwölfährigen) Hld 8,8 an die Tafel geschrieben.
Ach ja: Wer die Geschichte nicht von Haus aus zum Prüllen findet, dem sei ein Linktipp mit auf den Weg gegeben: http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/

Mittwoch, 23. September 2009

Hertha Firnberg

Vergangenes Wochenende wäre Hertha Firnberg 100 Jahre alt geworden. Doch viel Beachtung wird diesem Umstand nicht geschenkt.

Die Universitätsreform 1975 war ein Meilenstein in der österreichischen Bildungspolitik und selbst die Gegner dieser Reform können heute garnicht mehr abschätzen, wie viel Bewegung in die Universitäten kam, wo es sonst nur Starre gegeben hätte. Die Universitäten haben den 100er von Hertha Firnberg aber weitgehend ignoriert - wobei ich für diese Behauptung nicht alle Orchideenfächerinternetauftritte durchforstet habe.
Warum das? Das Gegenteil von Hertha Firnberg ist Elisabeth Gehrer, der es - rein bildungspolitisch - vermutlich am Liebsten gewesen wäre, hätte sie einfach hinter diese 100 Jahre wieder zurückgekonnt. Den unter ihrer Führung wiedererstandenen Rektorenuniversitäten scheint das auch inzwischen ein verführerischer Gedanke geworden zu sein.

In Frauenfragen hat Firnberg Pionierarbeit geleistet und Vieles gesagt, gefordert und umgsetzt, was zu dieser Zeit revolutionär war. Heutige Feministinnen stehen bei der historischen Betrachtung meist mit offenem Mund da, welche Selbstverständlichkeiten erst erkämpft werden mussten. Das ist eine mögliche Erklärung, warum diesen der 100. Geburtstag von Hertha Firnberg auch kein großer Anlass war.
Eine andere Erklärung könnte Firnbergs Art des Eintretens für Frauenrechte sein: Ihre Positionen waren differenziert durchdacht und klar umrissen und mir ist kein einziges Thema bekannt, bei dem sie einfach nur die "gegnerische" Position gespiegelt und umgekehrt hätte. Das mag den heutigen Feministinnen auch befremdlich vorkommen, denn ohne gegnerische Position hätten viele darunter nicht einmal eine eigene Meinung.

Mittwoch, 9. September 2009

"Ich nehm Religionsaufsicht"

Was man am Beginn eines Schuljahres als Religionslehrer alles zu hören bekommt, damit könnte man Kabarettabende bestreiten. Besorgniserregend war für mich die Aussage einer Schülerin der 2. Klasse AHS, die scheinbar etwas falsch verstanden hat.
Auf die Frage nach der Unterrichtsteilnahme antwortete sie mit "Ich nehm Religionsaufsicht" - gerade so als ob sie sich zwischen Schoko- und Erdbeereis entscheiden hätte müssen.
Beim Durchsehen der Daten dieser Klasse wurde mir dann klar, dass es hier scheinbar doch um einen verbreiteten Irrtum geht. Gerade so, als wäre die Aufsicht der Ersatzunterricht, der wohl schon dringend nötig ist.

Freitag, 28. August 2009

Roma finita ... chiuso per ferie

Im Rahmen der verpflichtenden Fortbildung bin ich als katholischer Religionslehrer natürlich am Ende der unterrichtsfreien Arbeitszeit noch schnell nach Rom und habe mich auch gleich gegenüber vom dortigen Unterrichtsministerium einquartiert.
Die wichtigsten Erkenntnisse:

Während das imperium romanum hauptsächlich auf Strategie und Planung aufgebaut war (und kaum einmal militärische Auseinandersetzungen durch numerische Überlegenheit für sich entschieden hat), gilt heute der Grundsatz: "Ich bin Italiener, ich habe keinen Plan!" (Kellner beim Versuch, einen wackeligen Tisch weniger wackelig zu machen).

Man hört auch von den alten Römern, dass sie Nachrichten verfasst und per Boten durch das halbe Reich geschickt haben, wenn das notwendig war. Von Information halten die "jungen" Römer allerdings absolut garnichts: "Chiuso per ferie" am runtergelassenen Rollo reicht doch, um jemanden, der sowieso gerade festgestellt hat, dass hier kein Betrieb ist, zu sagen, dass hier kein Betrieb ist. Der nächste Shop? Finde es selbst heraus! Und dann erfährst du auch, ob der nicht auch gerade "chiuso per ferie" hat. Scheint so, als würde man Koordination für irgendwas Unordentliches halten, das der Papst verboten hat.

Mittwoch, 19. August 2009

Frankreich light

In meiner persönlichen Statistik von Frankreichreisen sind eindeutig drei Buchstaben die unbestrittene Nummer 1: CDG - Charles de Gaulle, der Flughafen, nicht der Politiker. Ansonsten habe ich außer einer Frankreichreise in der Schulzeit und einer Woche Taizé nichts von diesem Land mitbekommen. Und das war auch gut so, denn die Sprache, die man dort mit einiger Penetranz und Ausschließlichkeit zu sprechen pflegt, steht in meiner Sympathieliste irgendwo zwischen Steuernachzahlung und Fußpilz.
Umso interessanter war es für mich, Straßburg kennenzulernen. Echte Bilingualität findet man dort zwar hauptsächlich auf den Straßenschildern und in manchen Ortsnamen (deren elsässische Herkunft man meist auch nur am Schriftbild erkennen kann), aber wenn man es versucht, stellt man fest, dass mehr Leute als man dachte durchaus der deutschen Sprache mächtig sind.
Viel Wasser, viele Brücken und ein beeindruckendes Münster prägen das Stadtbild - das kulturelle Erbe hat unter der Reformation einerseits gelitten, andererseits auch davon profitiert. Die vortridentinischen Raumteiler, für Fachkundige: Lettner, konnten offenbar die protestantischen Gemeinden eher brauchen als die durch das Konzil von Trient reformierten Katholiken.
Naja, wollt eigentlich nur deponieren, zahlt sich aus, dort hin zu fahren.

Dienstag, 18. August 2009

Karinthisches Frühchristentum

Erstaunlich, was sich im heutigen Kärnten zwischen 4. und 6. Jahrhundert so alles abgespielt hat.
Da kommt man in ein kleines Kaff, Globasnitz/Globasnica, und stößt auf Ausgrabungen von Römern und Goten, findet die Fundamente frühchristlicher Kirchen, einer arianischen und einer "katholischen" ...
Keine 200 km weiter eine Ortschaft mit dem klingenden Namen St. Peter in Holz - frühchristlicher Bischofssitz und Römerstadt unter dem Namen Teurnia. Eine Bischofskirche aus dem 5. Jahrhundert und eine Friedhofskirche mit einem bedeutenden Mosaik haben die Archäologen um Prof. Glaser dort gefunden.
Ach ja, und da wäre dann noch der Nonnosus von Molzbichl zu erwähnen, ein Diakon aus dem 5. Jahrhundert, der den Wiener TheologInnen seit den späten 90ern ein Begriff sein müsste.
Auf die große Frage, was diese Erkenntnisse für die Lehrtätigkeit bringen könnten, habe ich allerdings noch keine zufriedenstellende Antwort.

Donnerstag, 28. Mai 2009

Wahlbeobachtung

ÖH-Wahlen sind für mich kein besonderes Erlebnis mehr, eher Nostalgie, würde ich mal sagen. Doch was ich heute erleben durfte, das hat mich seit langem wieder einmal wirklich herzhaft lachen lassen.
Wie unter TheologInnen gute Sitte, wird alles, wo man sich treffen könnte, mit einer kleinen Mini-Agape aufgepeppt, so hat unsere Fakultätsvertretung auch das Wählen mit einer kleinen Einladung auf Kaffee und Kuchen ergänzt, die ich natürlich angenommen habe.
Nun sitze ich, vielleicht eine viertel Stunde vor Wahlschluss, vor dem Wahllokal bei Kaffee und Kuchen mit zwei Studierendenvertretern von der Fakultätsvertretung und plaudere ein wenig. Am Tisch die großteils schon leeren Thermoskannen, ein Kaffeebecher steht vor mir, ich habe Kuchen in der Hand, am Rande stehen noch leere Milchpackungen und ein paar benutzte Becher und der letzte verbliebene frische Becher. Vor dieser Kulisse spielte sich dann die folgende Szene ab:

Aus dem Off nähert sich ein korpulenter Herr, vermutlich Mitte 20, in einem rosa Hemd und mit einem gefalteten A4-Blatt in der Hand. Er steuert direkt auf den männlichen Fakultätsvertreter mir gegenüber zu und erkundigt sich:
- "Seids ihr von der Katholischen Theologie?" Der Fakultätsvertreter bejaht, worauf der Herr ihm das gefaltete A4-Blatt aushändigt und auf das verdutzte Gesicht hin hinzufügt:
- "Ja, ich bin von der JES, ich bin jetzt hier her entsandt worden, um zu beobachten."
Der sichtlich irritierte Fakultätsvertreter beäugt das A4-Blatt, während ich schon nicht weiß, wo ich jetzt hinschauen soll, um nicht vor lauter Lachen vom Sessel zu fallen. Dann bedeutete der Fakultätsvertreter, er könne gerne beobachten, aber wir trinken hier nur Kaffee. Die Fakultätsvertreterin neben mir klärte dann den JES-Wahlbeobachter darüber auf, dass das hier ein Kaffeestand ist und er die Wahlkommission im Wahllokal drinnen finden würde.
Ich hätte mir nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde, aber
JES, you made my day!

Sonntag, 17. Mai 2009

Psycho... Ein kleiner Erfahrungsbericht nach einer Surftour durch die Schulen der Psychotherapie.

Laut ExpertInnen wächst der Anspruch an den Religionsunterricht, den seelsorglichen Aspekt immer mehr zu bedienen. Ich merke zwar in meiner Praxis nicht besonders viel davon, aber habe mich trotzdem einmal im Internet schlau darüber gemacht, was denn die Schulen der Psychotherapie so alles zu bieten haben. Und die Adresse einer guten Therapeutin oder eines guten Therapeuten zu haben, hat ja noch niemandem geschadet.
Das erste mal stutzig wurde ich, als mir die meisten verwendeten Methoden der Therapeuten, die im Internet auffindbar waren, seltsam bekannt vorkamen: Aufstellungsspielchen, Traumdeuterei und natürlich das therapeutische Gespräch mit den unterschiedlichsten Schattierungen sind immer noch die Renner. Um das Gespräch wird man wohl nicht herumkommen, eine Therapie ohne Gespräch ist wahrscheinlich wirkungsloser als es ein Placebo-Medikament je sein könnte. Doch: Was soll der ganze Rest hier? Muss die Interdependenz des Klienten so breitgetreten werden? Welches Menschenbild steht dahinter, dass man den wachen und nüchternen Patienten nicht mehr als Ausgangsbasis für therapeutisceh Erfolge sehen kann?
Das brachte mich zur nächsten Frage: Wie wird das Therapieverhältnis gesehen? - es handelt sich schließlich dabei um eine ganz außergewöhnliche Form der Beziehung. Da war eigentlich eigentlich das ganze Spektrum vertreten, angefangen mit Grundsätzen in der Art "Der Therapeut verhält sich zur Psyche des Klienten wie der Installateur zum Abflussrohr" bis hin zur starken Betonung des empathischen Einfühlungsvermögens der Therapeuten. Das Schockierende daran: bei einigen Richtungen konnte man Anzeichen für das ganze Spektrum innerhalb eines therapeutischen Ansatzes finden, was ich beim besten Willen nicht als Zeichen für hohes Reflexionsniveau werten kann.
Die Zielformulierungen der therapeutischen Richtungen sind an Schwammigkeit nur mehr von Politikerreden übertroffen: Irgendwie ist zwar der Patient immer der, der die Lösung hat, kennt und mit Hilfe des Therapeuten findet, aber bei genauerem Hinsehen entpuppt sich jede Therapierichtung einfach nur als der Beginn eines wahnsinnigen Ego-Tripps.
Insofern kann ich nur ein Resümee aus dieser langen Nacht der Therapie-Homepages ziehen: Mehr Seelsorge, weniger Psychologie!

Mittwoch, 8. April 2009

Roma locuta und so - ein Palmsonntagsgottesdienst

Nun bin ich zur Einsicht gelangt, dass der Beiname "Ewige Stadt" vor allem deshalb gerade Rom zugedacht wurde, weil man hier ewig lange warten kann, um dann wenig zu sehen, ewig viel Zahlen kann, um dann eine Andeutung von einem Kaffee zu bekommen und vor allem ewig braucht, um von einem Ort zum anderen zu kommen.
Aber zum Thema: Der Palmsonntagsgottesdienst am Petersplatz
Zuerst einmal zum Termin: Dieser Gottesdienst fand zu meiner großen Überraschung tatsächlich am Palmsonntag und tatsächlich am Vormittag statt. Das ist bei päpstlicher Liturgie nicht wirklich selbstverständlich, der vatikanische Feierkalender hat zwischen Kreuzigung und Auferstehung mit viel Glück grade mal 20 Stunden.
Der Feierverlauf entsprach den Erwartungen, es gab keine liturgischen Eigenwilligkeiten und abgesehen von einer Fürbittensprecherin, die ihre Fürbitte in Suaheli vorgetragen hat, gab es auch keine Gründe, sich die Ohren zuzuhalten.
Der Plebs aber, das einfache Fußvolk, war ein Unterhaltungsprogramm für sich. Einige hätten am liebsten die Leinwand abgeknutscht, wenn der Papst im Bild war, anderen wiederum hätte statt einer Messe ein Pappendeckelpapst, neben dem sie sich photographieren lassen können, auch gereicht. Dazwischen einzelne Verrückte, die tatsächlich immer wieder glauben, in einem solchen Umfeld könne man würdig an einem Gottesdienst teilnehmen.
Ein besonders unwürdiges Schauspiel bot die Austeilung der Kommunion, die ein bisschen die Züge einer Wildtierfütterung annahm. Manche drängten sich an die Absperrung heran und streckten dem Priester die Hände entgegen, andere hatten gerade noch den letzten Bissen vom BigMac heruntergeschluckt und streckten die Zunge für die Mundkommunion aus. Die Priester auf der Seite des Platzes, wo ich das beobachtete, haben sehr unterschiedlich reagiert. Während auf der anderen Seite ein sichtlich genervter Priester beim schnellen Vorbeigehen so ca. in jede dritte Hand eine Hostie legte, bemühten sich auf unserer Seite zwei Priester, trotz des Gedränges und des Gerangels einen halbwegs würdigen Kommunionempfang zu ermöglichen.
Über Masseneucharistiefeiern muss man wirklich nachdenken. Scheinbar tut man das auch, aber in eine falsche Richtung: Man plant bereits den nächsten Weltjugendtag in Madrid 2011.

Dienstag, 24. März 2009

Promiskuitive Prominenz und andere Plagen der Gegenwart

Verona musste eine Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen, obwohl die eigentlich leidtragende doch wohl die Haushälterin ist, die nachher wieder zusammenräumen muss. Letterman hat heimlich geheiratet, Lindsay Lohan hat wieder einmal ein Auto geschrottet, vermutlich hat sie wiedermal vergessen, dass es beim Autofahren kein Playback vom Tonmeister eingespielt wird, Bruce Willis heiratet und will im Gegensatz zu Michael Jackson kein Kind adoptieren.
Eine schwedische Autofahrerin hatte zwischen Stockholm und Oslo eine Reifenpanne. Aber das interressiert niemanden, obwohl sie die entfernte Bekannte einer unehelichen Urenkelin des Fürsten von Liechtenstein vom Hören-sagen kennt.
Hans Krankl trainiert jetzt den LASK, aber in dieser Sportart sind die Beziehungen zwischen Mannschaften und Trainern sowieso nur Saisonabschnittspartnerschaften.
Paul Michael Zulehner war schon über 12 Stunden nicht mehr im Fernsehen zu sehen, was eigentlich ein bedenkliches Zeichen für die Objektivität der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ist, oder auch nicht.
Warum eigentlich?
Keine Ahnung!

Intellektuelle Inkontinenz und andere Plagen der Gegenwart

Es hatte alles so schön angefangen, als der 15jährige Omar auf seinem Schulweg den üblichen Schwenk zum Café um die Ecke machte. Es gab ihm jedes Mal einen Kick, nicht für die zwei Stationen zur Schule noch in die Straßenbahn zu steigen, sondern dorthin abzubiegen, wo kein Lehrer je vorbeikam und seine Freunde meist schon auf ihn warteten.
Und es wäre auch gut weitergegangen: Seine Freundin - war sie das noch? - wäre ihm erspart geblieben, und er hätte sich nicht ihren Fragen aussetzen müssen, ihrer eindringlichen Forderung nach Ehrlichkeit über die Party letzten Samstag. Und vor allem: die Schule wäre an ihm vorbeigegangen, er wäre nie mit so dummen Dingen wie dem logischen Denken der Mathematik belastet worden, niemand hätte ihm irgendwelchen Unsinn darüber erzählen können, was die inzestgeschädigten Adelshäuser vor hunderten Jahren so alles an Kriegen angezettelt haben, auch das völlig unnütze Wissen über die Kreuzung von Pflanzenarten hätte ihm niemand aufdrängen können und die ewigen Herumreitereien auf Groß- und Kleinschreibung, harten und weichen Lauten, die ihm ja dieses Schuljahr eigentlich eingebrockt haben, wären ihm auch erspart geblieben. Kein Religionslehrer hätte ihm erzählen können, was alles nicht im Koran steht, obwohl er aus seiner Familie doch wusste und sah, dass es zu seiner Religion und zu seinen Pflichten gehört. Dann diese Referate von geschniegelten und gestriegelten Mitschülern in irgendwelchen Grufti-Klamotten, die sonst nur in ihren Death-Metal-T-Shirts in der Schule auftauchten - und sowas nennt man Persönlichkeitsbildung: Das Kriegsschiff "Bismarck", der Lebensraum der Python, die Geschichte der Habsburger. Dann noch diese ewig gleichen, gutgemeinten Ratschläge. Nein, das wollte er sich heute ersparen und hatte noch einen weiteren, schlagenden Grund dafür: Die englische Sprache, ihre Grammatik und die wohl schrecklichste Lehrerin, die man haben kann, die wollte er für heute einmal aus seinem Alltag verbannen.
Sein Ausbruch aus dem Alltag ist gehörig misslungen, weil andere aus ihrem Alltag ausgebrochen waren. Als er beim Café ankam, war die Tür geschlossen, die Stühle waren auf die Tische gekippt, der Raum war dunkel und weit und breit war niemand zu sehen. Fini, die Bedienung, war genausowenig da wie ihr Mann, der sonst immer in der Küche arbeitete. Drei Minuten stand er alleine da und war völlig aus dem Konzept geworfen, bis sein Freund hinzukam. Der machte ihn dann auf die Bedeutung des kleinen, gekritzelten Zettels an der Tür aufmerksam: "Wegen Todesfall geschlossen!"
Beide versuchten natürlich, vor dem jeweils anderen ihre Betroffenheit zu verbergen, und auch die Angst, es könne sich beim Todesfall um Fini handeln, weil keiner zugeben wollte, dass ihnen die Inhaberin des Cafés schon längst sehr ans Herz gewachsen war. In ihrer Orientierungslosigkeit beschlossen die beiden, zur Schule zu gehen. Wenn es gar keine brauchbare Alternative gibt ...

Freitag, 20. März 2009

Ablenkungsmanöver?

Wunderlich, dass Papst Benedikt der XVI. auf seine alten Tage hin nun auf einmal die gängigen "Ceterum-censeos" der kirchlichen Sexuallehre für sich entdeckt. Gestern Kondome, heute Abtreibung, und letztere auch noch unter moraltheologisch kaum bis garnicht argumentierbaren Annahmen. Da muss man sich doch fragen, ob seine Berater für jeden Kontinent das passende Fettnäpfchen ausgesucht haben, oder ob es einfach nur um eine Ablenkungspolitik geht. Schade eigentlich, dass es dafür mediale Aufmerksamkeit gibt.

Freitag, 13. März 2009

Liebesinflation

Schon länger ist der Trend zu bemerken, den vor allem der US-Amerikanische Film in die deutschsprachigen Länder gebracht hat: "I love you!" kommt dort relativ leicht über die Lippen. Das scheint eine sprachliche Besonderheit zu sein, gegen die sich wenigstens in der Umgangssprache die deutschsprachige Bevölkerung zumindest eine Zeit lang gewehrt hat.
Auch wenn man in den synchronisierten Filmen immer wieder das "Ich liebe dich" als Übersetzung von "I love you" gehört hat, so ist doch dieser Satz noch lange einem Bereich oder zwei Bereichen vorbehalten geblieben: Der partnerschaftlichen Liebe und allenfalls noch der Liebe zwischen Eltern und Kindern.
Mit "I love you" im amerikanischen Englisch ist das etwas ganz anderes: das kann man zu Verwandten sagen, zu Freunden und Bekannten. Man kann es sogar als Bühnenkünstler einem ganzen Saal voller zahlender BesucherInnen zurufen.
Bedenkt man den Einfluss, den amerikanische Kultur (falls man das so nennen darf) und Sprache auf Europa sonst haben (Stichwort "Sinn machen"), dann mag es im Nachhinein eigentlich verwundern, dass es eines Mediums wie des Internets bedurfte, bis auch diese Eigenart auf Europa übergriff.
Das amerikanische "I love you", das keine Differenzierung mehr zulässt zwischen bloßer Sympathie, freundschaftlicher Zuneigung und partnerschaftlicher Liebe, wurde lange Zeit hindurch durch andere Sätze vertreten: "Ich mag dich." "Ich hab dich lieb." "du bist mir wichtig."
Heute ist das anders: In diversen Chatrooms und Kommunikationsprogrammen schwirren die Herzen nur so durch die Gegend. "Ich liebe dich" ist wie das amerikanische "I love you" zu einer Hohlphrase geworden, die auch unbedacht und ohne große Folgen an jemanden geschickt werden kann. Solche Liebesbekundungen können per sms verschickt werden und in Chatrooms veröffentlicht werden. Neulich las ich auf einer Homepage sinngemäß "Ich liebe alle, die auf meine Seite kommen."
Mit dem Vermissen scheint es ähnlich zu sein.
  • "Du warst 5 Minuten nicht online, ich hab dich sooo vermisst!" -
  • "Ich war am Klo" -
  • "Schrecklich." - "Wo in Deutschland wohnst du eigentlich?"
Die große Frage, die sich mir stellt: Was tun, wenn man wirklich jemanden liebt? Was, wenn man jemanden vermisst, so dass man sich selbst alles andere als ganz fühlt?

Donnerstag, 26. Februar 2009

Weniger Arbeiten!

Frau Unterrichtsministerin will die Lehrverpflichtung der LehrerInnen erhöhen und was machen die Medien? Klar doch, sie kommunizieren an die Öffentlichkeit, dass LehrerInnen mehr arbeiten müssten. Doch das Gegenteil ist der Fall!
Ein Vollbeschäftigter Lehrer soll derzeit ein Arbeitspensum von 38,5 Stunden erbringen. Dabei soll er - je nach Fach - ca. 20 Stunden unterrichten und den Rest der Zeit in diverse Nebenverpflichtungen, vor allem aber in Fortbildung und Unterrichtsvorbereitung investieren.
Mein Unterrichtsfach ist eines der Vorbereitungsintensivsten, auch wenn es nicht so bewertet ist. Wenn ich während irgendeiner Unterrichtswoche meine Tätigkeiten nach 2310 Minuten einstellen würde, müsste ich in der darauf folgenden Woche schon ein Drittel der Stunden ausfallen lassen, weil keine Zeit mehr wäre, sie vorzubereiten.
Gehen wir ins Detail: Im Unterricht verbringe ich jede Woche 1000 Minuten, dazu kommen 200 Minuten Supplierbereitschaften und Sprechstunden und 30 Minuten Gangaufsicht. Die nötige Unterrichtsreflexion und die Anpassung der getroffenen Vorbereitungen an die Unterrichtsereignisse nehmen im Schnitt pro Woche 200 Minuten in Anspruch. Bleiben 880 Minuten, um darin unterzubringen:
  • Unterrichtsvorbereitungen für 20 Stunden inklusive Beschaffung, Begutachtung, Aufbereitung und Transport von Materialien.
  • Vorbereitung von Projekten, Lehrausgängen, Unterrichtsschwerpunkten.
  • Koordination von klassen- und fächerübergreifenden Unterrichtsthemen.
  • Fort- und Weiterbildung sowohl fachlich als auch pädagogisch.
Zähle ich das alles zusammen, nehme noch die Elternsprechtage und Konferenzen dazu, dann bleibt von den unterrichtsfreien Zeiten, in die gezwungenermaßen schon die meiste Weiterbildung und Vorbereitung verlagert werden muss, nicht einmal genug übrig, um diese Zeiten als Zeitausgleich zu verbuchen. Rechne ich dann noch die fünf Wochen im Jahr ab, die ich mich laut Gesetz "vom Dienstort entfernen" darf - Urlaub gibt es ja für LehrerInnen nicht -, dann darf am Ende nur mehr der burn-out-bedingte Krankenstand als Privileg verbucht werden.

Eine Ausweitung der Unterrichtsverpflichtung kann daher nur bedeuten: LehrerInnen müssen weniger arbeiten! Denn in der Zeit, die sie mehr unterrichten und dieses Mehr an Unterricht vorbereiten, machen sie
  • weniger Weiterbildung,
  • weniger Reflexion,
  • weniger pädagogische Arbeit
  • und vor allem weniger Unterrichtsvorbereitung.
Tolle Bildungsreform!

Freitag, 13. Februar 2009

Bruder Pius, Schwester Islam

Gelassenheit fällt dieser Tage schwer, wenn man in einschlägigen Berufen arbeitet, die direkt oder indirekt mit Religion und Kirche zu tun haben. Es kostet schon einiges an Aufmerksamkeit, den Überblick zu behalten: Holocaustleugnende Altritualisten werden rehabilitiert, resche Dorfpfarrer zum Bischof geweiht, die Homosexualität beschäftigt den Klerus wieder und so nebenbei läuft noch ein Sturmlauf nicht nur gegen islamische ReligionslehrerInnen.

Das
Konzil vergessen?
Immer dann, wenn Themen eine besondere Aufregung erzeugen, ist auch die Gefahr da, dass man allzuleicht etwas übersieht. Sicherlich ist Williamson mit seiner Holocaust-Leugnung der Kern des Problems, doch die antisemitischen Tendenzen innerhalb der Piusbruderschaft sind weder neu, noch auf Williamson beschränkt. Es bleibt zu hoffen, dass man das angesichts der vielleicht bevorstehenden, aber immer noch ausständigen Erklärung Williamsons genausowenig vergessen wird wie die kirchenintern viel wichtigere Frage der Anerkennung des Konzils.
Nicht nur die Anerkennung des II. Vaticanums dem Wortlaut seiner Texte nach müsste gefordert werden, sondern auch die Anerkennung des Geistes, der das Konzil getragen hat. Denn - seien wir uns ehrlich - einer Kirche, die aus der Bibel die Berechtigung abliest, Waffensegnungen praktizieren zu dürfen, aber die Berechtigung nicht erkennen kann, Verheiratete und Frauen zum Priesteramt zuzulassen, der ist bei der Interpretation des Wortlautes der Konzilstexte auch einiges zuzutrauen. Umso mehr, zumal die Texte ja das Ergebnis von Verhandlungen sind und Kompromissformulierungen enthalten.

Hurrican, Harry Potter, Homosexualität
Andere Baustelle: Die Rundumschläge des designierten Weihbischofs Wagner. Windischgarsten in der Diözese Linz wird seinen Pfarrer los, was nach den Berichten der entsprechend schlagseitigen Medien den Gläubigen dort das Herz bluten lässt. Wenn dem so wäre, dann wäre es doch ein gebotener Akt der väterlichen Barmherzigkeit, diesem dringenden, pastoralen Bedürfnis der dortigen Gemeinde nachzugeben und dem administrative Anliegen unterzuordnen - aber das nur nebenbei. Ein Pfarrer, der dem Geiste nach aus einer Zeit lang vor Don Camillo stammt, markige Predigten drauf hat und donnernd gegen die neuen Zeiten wettert, wäre wahrscheinlich genauso wie die Piusbrüder jederzeit bereit, den Antimodernisteneid Pius' des X. abzulegen, je nach Opportunität jegliches Ereignis als Fingerzeig Gottes zu interpretieren, solange es sich irgendwie in seinem Sinn auslegen lässt, und aus Prinzip alle Bücher, die er selbst nicht gelesen hat (und das scheinen viele zu sein) für gefährlich zu erklären.

Mir fällt nur eine gesellschaftliche Gruppe ein, die mit dieser Bestellung wirklich ihre Freude haben könnte: die der vehementen Kirchenkritiker: Endlich hat man jemanden gefunden, auf den selbst die abstrusesten Vorwürfe zutreffen. Da fragt man sich doch glatt, ob Richard Dawkins, Burkhard Müller, Michael Schmidt-Salomon, Robert Misik und wie sie alle heißen eigentlich schon zur Ernennung gratuliert haben. Vielleicht sollten sie das tun - irgendwer muss es ja machen.

Islam: Wissenschaftliche Bildung wurde sträflich vernachlässigt
Das bringt uns zur dritten Baustelle, dem Religionsunterricht: Hier steht der Islam in der Schusslinie, wahrscheinlich auch nicht zu Unrecht. Während man auf die islamischen ReligionslehrerInnen medial losgeht und zumindest die genannte Gruppe immer wieder den Versuch unternimmt, die Angriffe auf den Religionsunterricht allgemein auszudehnen, fragt sich niemand, warum diese spezielle Situation überhaupt entstehen konnte. Die Versäumnisse in der Bildungspolitik des vergangenen Jahrhunderts waren es, die maßgeblich dazu beigetragen haben.
Der islamische Religionsunterricht wurde erst in den frühen 1980ern an den öffentlichen Schulen eingeführt, obwohl die Religionsgemeinschaft seit 1912 ein anerkanntes Bekenntnis ist und das aktuelle Religionsunterrichtsgesetz seit 1949 gilt.
Eine Ausbildung für islamische ReligionslehrerInnen an Pflichtschulen gibt es seit - festhalten, hinsetzen - 1998! Und wem das noch nicht skandalös genung erscheint: Ein universitäres Studium als adäquate, wissenschaftliche Berufsvorbildung für Islam-LehrerInnen an AHS und BHS gibt es seit dem 1. Oktober 2006, das heißt es könnten frühestens im Schuljahr 2011/12 die ersten adäquat ausgebildeten LehrerInnen für islamische Religion ihr Unterrichtspraktikum beginnen.

Dazu nun eine durch diverse Studien belegte Binsenweisheit: die Gefahr, sich von fundamentalistischen Kreisen innerhalb der Religion angesprochen zu fühlen, nimmt mit der fachlich-wissenschaftlichen Bildung in der Religion deutlich ab, also: Religiöse Bildung schützt vor Fundamentalismus. Und ich sehe keinen Grund, zu bezweifeln, dass das auch für ReligionslehrerInnen gilt.

Freitag, 30. Januar 2009

Kirche raus aus der Schule

Die Pubertät ist eine schwere Zeit in der Entwicklung eines Menschen, doch manchen unter ihnen gefällt sie so gut, dass sie diese möglichst lange ausdehnen möchten. Nachdem sich Papst Benedikt XVI. mit der von väterlicher Sensibilität getragenen Entscheidung, die Piusbrüder in den Schoß der Mutter Kirche zurückzuholen, einen gezielten Schuß ins Knie zugezogen hat, sehen die frisch gezüchteten Altkommunisten der aks ihre Stunde gekommen, um wieder einmal gegen den Religionsunterricht zu hetzen:

Kirche raus aus der Schule

So lautet ihre Forderung. Ich habe mich natürlich, da ich selbst links bin, unverzüglich mit dem Schulwart in Verbindung gesetzt und ihn aufgefordert, er solle doch sagen, wo die Kirche in unserer Schule sei und die rausrücken. In unserer Schule ist aber keine Kirche, nur eine aus Papier gebastelte Synagoge samt Inventar, die meine RK-TeilnehmerInnen in der 1. Klasse gebastelt haben. Daneben stehen Häuser, ebenfalls aus Papier gebastelt, wie sie im Palästina der Zeitenwende üblich waren, ein Händler bietet am Platz vor der Synagoge seine Waren an, ein paar römische Soldaten stehen herum. Aber weit und breit keine Kirche.

Skurrile Kritikpunkte

Jetzt wird es Zeit, sich gemütlich zurückzulehnen und den Sturm im Wasserglas zu belächeln: Scheinbar gibt es sogar für die Opfer der aks-Indoktrination so wenig stichhaltige Kritikpunkte an der klar definierten und limitierten Stellung von Religion und Kirche im Bildungssystem, dass man sich die Argumentationen derart kräftig aus den Fingern saugen muss, dass danach die Kraft nicht mehr für eine ordentliche Grammatikkontrolle ausreicht.

Erstes Argument gegen religiöse Schulerhalter:
Katholische Privatschulen zum Beispiel entziehen sich größtenteils staatlicher Vorschriften, tragen aber aufgrund ihres Schulgeldes enorm zur Elitenbildung bei, sprich bilden die Reichsten „am Besten" aus.
Wessen entziehen sich die Privatschulen? Und: Will man jetzt wirklich kritisieren, dass dort die Ausbildung (angeblich) so gut ist? Zu Eliten kann man stehen, wie man will, aber aus einer allfälligen Ablehnung von Eliten heraus das Bildungsniveau solange nach unten zu schrauben, bis alle gleich wenig Bildung haben, da kenne ich Leute, die das alleine mit Engels und ohne Marx vom Tisch argumentieren können.

Nächste Angriffsfläche ist der Lehrplan für das Unterrichtsfach Religion:
Der Lehrplan wird nicht wie in andern Fächern vom Staat zusammengestellt, bzw. von zuständigen PolitikerInnen, sondern wird wie auch so vieles großteils von der Kirche bestimmt.

Wie jetzt? In anderen Fächern machen die PolitikerInnen die Lehrpläne? Na dann, gute Nacht! Wenn ich mir so vorstelle, welche Lehrpläne man da in zehn Jahren Gehrer bekommen hätte können ... Handarbeiten, Handarbeiten, Handarbeiten ... obwohl man das eigentlich ja "Textiles Werken" nennt. Oder soll etwa der Finanzminister den Lehrplan für Rechnungswesen in der Handelsakademie erstellen - stell mir gerade vor, wie Grasser drei Semester für den Unterschied von Nutto und Bretto einplant! Vielleicht sollten sich die Herrschaften einmal darüber informieren, wo Lehrpläne generell gemacht werden! (Wenn sich die SPÖ nicht schon zu sehr für die aks geniert, dann schicken sie vielleicht eineN PolitikerIn aus der vierten Reihe oder eineN AngestellteN).

Der Mythos von der wertneutralen Ethik
Den Rest verbringen die Betreiber der Propagandakampagne damit, althergebrachte Ideen zu ventilieren, die aus gutem Grund bislang keinen Erfolg hatten. Die erste ist die Idee vom wertneutralen Ethikunterricht. Ich will ja garnicht darauf herumhacken, dass Ethik schon allein von der Bedeutung des Wortes her nicht wertneutral ist, sondern schon eine Grundhaltung vorgibt. Aber die Vorstellung einer meinungslosen Lehrperson, die ohne eine eigene Präferenz verschiedene ethische Systeme unterrichtet, also mir würde als Schüler davor Angst und Bange werden, denn da ist reine Paukerei angesagt, denn Diskussion ist dabei von vornherein ausgeschlossen.
Es gibt Länder, wie Frankreich zum Beispiel, da kommen die SchülerInnen auch ohne Religion in der Schule aus.
Ach ja, das Laizisten-Mekka Frankreich! Wie war das noch mit Jugendunruhen einer sinn- und perspektivenlosen Generation, die unter dem Verlust von Werten und Lebensinhalten zu leiden hat? Aber das ist ja Schnee von gestern, 2005 um genau zu sein, seither hat die harte Hand von Vater Staat die Unruhen soweit unter Kontrolle, dass sie es zumindest nicht mehr in die nationalen und internationalen Medien schaffen. Tolles Vorbild, wirklich!

Religionskritik
Dann kommt Religionskritik dran: Wenn man einmal großzügig darüber hinweggeht, dass die einleitende Analyse ChristInnen und KatholikInnen verwechselt, dann hat man auch schon alle Neuigkeiten erfasst. Der Rest: Versatzstücke aus der Religionskritik des 19. Jahrhunderts, die aber nicht einmal auf den philosophischen Atheismus dieser Zeit eingehen. Dann der Hammer: Suren-Zitate aus dem Koran - sehr klug, denn Strache und Westenthaler hätten es nicht anders gemacht!

Sonstiges
Nach dem kürzesten Absatz, den ich je zum Thema Religionskritik geschrieben habe, wird der kommende Diskurs auch nicht gehaltvoller: Der Abschnitt über die Sexualität spult relativ lau die Pflichtpunkte in Sachen Sexualität und Kirche herunter (und das auch noch nicht einmal vollständig, aber: Pst!). Dann wird wiederum ein Bild von katholischen Privatschulen gezeichnet, das darauf schließen lässt, dass die VerfasserInnen diesen Schultyp nur aus zwei Quellen kennen können: Erstens vom Parkplatzsuchen in der Friesgasse und zweitens aus älteren Filmchen. In Sachen Kreationismus dürfte sich die Verfassertätigkeit auf die Tasten Strg, C und V beschränkt haben. Alleiniges Allheilmittel gegen den Kreationismus ist natürlich ein namentlich nicht erwähnter Dawkins (obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ein gewisser "Dawin", der im Artikel genannt wird, jetzt ein falsch geschriebener Darwin oder ein falsch geschriebener Dawkins ist).

Das völlig überraschungsfreie Polemisieren kann wohl kaum beunruhigen. Es zeigt einmal mehr, dass die Organisation, die behauptet, die Interessen der SchülerInnen vertreten zu wollen, keine Ahnung von Schule und Schulwesen hat. Schade eigentlich, denn dort wäre genug im Interesse der SchülerInnen zu tun, wenn man sich auskennen würde. Aber wir wollen ja nur polemiseren!

Mittwoch, 21. Januar 2009

Autobus

In London hat der prominente Naturwissenschafter und angesehene Autor populärwissenschaftlicher Bücher Richard Dawkins zwei Zeilen auf einigen Linienbussen Londoner Verkehrsunternehmen platziert: "There is probably no God. Now stop worrying and enjoy your life." Damit ist der Atheismus (zumindest in seiner dawkinschen Ausprägung) in seine missionarische Phase eingetreten und spätestens jetzt kann man nicht mehr leugnen, was ich schon seit Jahren behaupte: Atheismus ist keine Weltanschauung, keine Ideologie und keine wissenschaftliche Lebenseinstellung, sondern er ist nichts anderes als eine Religion. Zwar eine Null-Gott-Religion, aber eben doch eine Religion.
Doch nun kann man sich nicht mehr auf Dawkins alleine ausreden, der ja für sein jüngstes Opus magnum "The God-Delusion" - zu deutsch: Der Gottes-Wahn - gerade von atheistischer Seite sehr viel Kritik einstecken musste, weil sein Fundamentalismus der Sache des Atheismus eher schadete als nutzte. Die Vereinigung der rationalistischen Atheisten und Agnostiker (unter ähnlichen Namen existieren in verschiedenen Ländern solche Vereinigungen) hat in Spanien bereits Buswerbungen bestellt und nun war Italien an der Reihe.
Kaum Probleme gab es mit britischen Bussen, denn während die meisten Kirchenvertreter betreten grinsten und mit Kommentaren wie "Es ist alles zu begrüßen, was Gott zum Thema macht" Dawkins merklich den Spaß an der Sache nahmen, war es gerade einmal ein Busfahrer, der sich weigerte, mit diesem Ding zu fahren. Doch auf die Italiener ist Verlass! In Genua hat die Werbeagentur den Auftrag wieder zurückgelegt, nachdem es zahlreiche Proteste und Widerstände gab. Das ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Reaktion, die sich die Auftraggeber wünschten, und sie wären auch bis zum Äußersten gegangen und hätten die Kampagne in Rom auf die Buslinien in Vatikan-Nähe konzentrieren wollen! Alles nur für diese Reaktion - endlich schenkt auch den Atheisten wieder jemand Aufmerksamkeit, und die brauchen es ja am dringendsten, wo sie doch keinen Gott haben, der sie liebt, die Armen.

Dienstag, 20. Januar 2009

Oh-bah-maaa

Also ich weiß ja nicht, wie es meinem gezählten einen Leser geht oder meiner gezählten einen Leserin (unter uns, da hat sich offensichtlich jemand verklickt), aber ich fühle mich gerade vollkommen verunsichert.
Nun, soll sein. Heute ist der 20. Jänner, der Tag, an dem das neue Jahr so richtig beginnt:
  • der Winter kann zwar noch schlimm werden, aber kaum schlimmer als er schon war.
  • die Naherwartung auf eine Erholungspause hin ist in Sicht und der Thermenausflug ist gebucht.
  • und Barack Hussein Obama ist Präsident der USA!
Wie sagte einmal Volker Piespers: "Es geht nichts über ein einfaches Weltbild. Wenn man weiß, wer der Böse ist, dann hat der Tag Struktur." Und jetzt auf einmal ist ein Guter der Häuptling der Bösen, die Kräfte der Evangelikalen, die jetzt acht lange Jahre lang ihren Präsidenten hatten, sind unterlegen. Mal sehen, was die jetzt machen! Werden sie in einer gemäßigten Form neu erstarken und vielleicht zu einem interessanten Kooperationspartner für katholische ChristInnen? Oder werden sie in der Opposition radikalisiert und noch fundamentalistischer? Kommt vielleicht - wie zur Zeit Clintons - der gewaltbereite Flügel wieder auf? Man wird sehen und man wird wohl auch selbst sein Verhältnis zu den USA überdenken müssen - bislang war es mir persönlich durchaus einige Euro Wert, dieses Land zu "umfahren" oder besser gesagt daran vorbei zu fliegen.
Nun lassen wir uns überraschen! Eine Wirtschaftskrise dieses Ausmaßes hätte vor einem knappen Jahrhundert wahrscheinlich innerhalb von einem halben Jahr zu einem Krieg irgendeiner Art geführt.
Aber jetzt ist er Präsident ... der US-Präsident, dessen zweiter Vorname Hussein ist (hätte man das vor fünf Jahren jemanden erzählt, die Einweisung in die geschlossene Anstalt wäre einem sicher gewesen), der Farbige an der Spitze der Nation von weißen, christlichen Männern.
Wir dürfen gespannt sein, was daraus wird:
  • eine männliche Evita, Star und caritatives Zugpferd?
  • ein neuer Martin-Luther King, der einen Traum hat?
  • oder vielleicht ein farbiger Gorbatschow, der am eigenen Glasnost scheitern wird?
Wir werden sehen.

Mittwoch, 14. Januar 2009

Ein Gewissen zu haben ...

Erklären Sie einmal jemandem, was das Gewissen ist! Sie werden sich den Mund fusselig reden. Man sieht es nicht, man kann es nicht angreifen und kein Gerät kann es messen. Heutzutage, wo es zum guten Ton gehört, nur zu glauben, was man sieht (oder was man in der U-Bahn-Zeitung vorgegaukelt kriegt), ist das schon sehr, sehr schwierig!

In der Kirche haben wir mit dem Artikel 16 der Konstitution "Gaudium et spes" einen Anhaltspunkt dafür, wie wichtig das Gewissen ist. Es ist eine einflussreiche Größe, denn schließlich geht nichts über das Gewissen ... kein Papst, kein Bischof, kein Pfarrer und auch kein Kirchenrecht, kein Katechismus, kein Beichtspiegel.

Das Gewissen gibt Orientierung, wie ein Kompass, und es dient dazu, gut und böse zu unterscheiden. Dazu allerdings ist es erforderlich, dass Gewissen auch zu bilden. Klar eigentlich, wenn es so wertvoll ist, dann muss man es ständig vermehren und verbessern. Das widerspricht nicht einmal unserer heutigen Denkart des "schneller-höher-weiter". Gewissensbildung als lebenslange Aufgabe ist also durchaus auch heute aktuell.

Montag, 5. Januar 2009

Back to Biedermeier

Metternich und die DDR-Granden hätten ihre Freude mit den (un?)erwünschten Nebenwirkungen des Imports US-amerikanisch-puritanischer Ideologie nach Europa.
Die USA haben im vergangenen Jahr einen neuen Präsidenten gewählt, der bald - nur noch ein paar mal zeitversetzt schlafen - im Amt sein wird. Damit endet dort die mit der Wahl Ronald Reagans angebrochene Phase, die kulturgeschichtlich je nach Perspektive und intellektueller Durchdringungstiefe unter Namen wie backlash, Neokonservativismus oder Restauration firmiert. Und scheinbar gilt die alte Regel immer noch: jede Entwicklung aus den USA kommt irgendwann einmal nach Europa, meistens zehn Jahre verspätet und oft erst just dann, wenn sie in den USA endlich wieder überwunden ist.

Es gibt Menschen, die einen Lustgewinn daraus lukrieren, wenn sie darüber bestimmen können, was andere tun oder lassen sollen. Damit sind jetzt nicht beruflich Vorgesetzte gemeint, wo das zwar schon mal vorkommen mag, aber hoffentlich die Ausnahme ist. In den USA sind es meist angehörige christlich-religiöser Gruppierungen, die ihre Vorstellungen von Leben im Großen wie im Kleinen, im Ganzen wie im Einzelnen der Gesamtbevölkerung aufbürden wollen.
Wahrscheinlich haben die angehörigen sich selbst gefragt, ob denn das wohl ginge, und so haben sie in den frühen 1980ern nach etwas Ausschau gehalten, das leicht diffamierbar, weit verbreitet und auf verschiedenen Ebenen angreifbar ist. So fanden Sie die RaucherInnen, die in fünfziger- und sechziger Jahren, besonders aber in den so verhassten Spätsechzigern zu einer nennenswerten Gruppe geworden waren. In den USA lief die Sache so gut, dass man sich in manchen Staaten schon sehr früh wieder nach anderen Opfern umsehen musste. In Arkansas, Kansas, Missouri, Oklahoma und Texas setzte man ein Gesetz durch, das Oralverkehr verbietet, in Nogales war es nach erfolgreicher Raucherbekämpfung so langweilig, dass man durch gesetzliche Regelungen Strumpfbänder und Hosenträger regulierte, in Kalifornien verbietet man es, Kinder am Überspringen einer Lacke zu hindern.

Nun ist man bei uns auch bald fertig mit den Rauchern: die Gesetze gibt es schon, die Umsetzung hapert noch ein bisschen. Aber da hilft der gute Bürger doch gerne nach: Wirte berichten in letzter Zeit vermehrt von Foto-Razzien militanter Nichtraucher, die als selbsternannte Sherrifs in Wild-West-Manier durch die Kneipen ziehen um dem Gesetz auch so richtig zum Durchbruch zu verhelfen.
Damit ist die oberste Lust-Stufe der Kleingärtner erreicht: das Verpetzen oder Vernadern, wie die Wiener sagen würde: dem Metternichschen Spitzel gleich auf der Suche nach dem Bösen, nach etwas, das böse genug ist, um sich selbst daneben gut zu fühlen!
Bislang konnte man nur lustvoll Verbotsschilder aufhängen (in den letzten Jahren wurden "Rauchen verboten"-Schilder an Orten aufgehängt, an denen man davor schon nicht auf die Idee gekommen wäre, zu rauchen - muss also auch etwas zur Befriedigung beigetragen haben), jetzt kann man quasi bis zum Äußersten gehen.
Die Raucher inzwischen können schon mal die Luftströme der eigenen vier Wände testen um mit dem Feind im eigenen Bett Kompromisse zu finden ... und die Wirte sollten schnellstens prüfen, ob sie nicht einen Lieferservice anbieten wollen.

Ach ja, noch ein PS an die Generation MTV "ich rauche nicht, denn es gibt coolere Arten zu sterben" und so:
Jetzt kommen die Bekleidungsvorschriften. Zwei Städte haben schon ein Verbot von weiten Hosen erlassen. (link)