Freitag, 30. Januar 2009

Kirche raus aus der Schule

Die Pubertät ist eine schwere Zeit in der Entwicklung eines Menschen, doch manchen unter ihnen gefällt sie so gut, dass sie diese möglichst lange ausdehnen möchten. Nachdem sich Papst Benedikt XVI. mit der von väterlicher Sensibilität getragenen Entscheidung, die Piusbrüder in den Schoß der Mutter Kirche zurückzuholen, einen gezielten Schuß ins Knie zugezogen hat, sehen die frisch gezüchteten Altkommunisten der aks ihre Stunde gekommen, um wieder einmal gegen den Religionsunterricht zu hetzen:

Kirche raus aus der Schule

So lautet ihre Forderung. Ich habe mich natürlich, da ich selbst links bin, unverzüglich mit dem Schulwart in Verbindung gesetzt und ihn aufgefordert, er solle doch sagen, wo die Kirche in unserer Schule sei und die rausrücken. In unserer Schule ist aber keine Kirche, nur eine aus Papier gebastelte Synagoge samt Inventar, die meine RK-TeilnehmerInnen in der 1. Klasse gebastelt haben. Daneben stehen Häuser, ebenfalls aus Papier gebastelt, wie sie im Palästina der Zeitenwende üblich waren, ein Händler bietet am Platz vor der Synagoge seine Waren an, ein paar römische Soldaten stehen herum. Aber weit und breit keine Kirche.

Skurrile Kritikpunkte

Jetzt wird es Zeit, sich gemütlich zurückzulehnen und den Sturm im Wasserglas zu belächeln: Scheinbar gibt es sogar für die Opfer der aks-Indoktrination so wenig stichhaltige Kritikpunkte an der klar definierten und limitierten Stellung von Religion und Kirche im Bildungssystem, dass man sich die Argumentationen derart kräftig aus den Fingern saugen muss, dass danach die Kraft nicht mehr für eine ordentliche Grammatikkontrolle ausreicht.

Erstes Argument gegen religiöse Schulerhalter:
Katholische Privatschulen zum Beispiel entziehen sich größtenteils staatlicher Vorschriften, tragen aber aufgrund ihres Schulgeldes enorm zur Elitenbildung bei, sprich bilden die Reichsten „am Besten" aus.
Wessen entziehen sich die Privatschulen? Und: Will man jetzt wirklich kritisieren, dass dort die Ausbildung (angeblich) so gut ist? Zu Eliten kann man stehen, wie man will, aber aus einer allfälligen Ablehnung von Eliten heraus das Bildungsniveau solange nach unten zu schrauben, bis alle gleich wenig Bildung haben, da kenne ich Leute, die das alleine mit Engels und ohne Marx vom Tisch argumentieren können.

Nächste Angriffsfläche ist der Lehrplan für das Unterrichtsfach Religion:
Der Lehrplan wird nicht wie in andern Fächern vom Staat zusammengestellt, bzw. von zuständigen PolitikerInnen, sondern wird wie auch so vieles großteils von der Kirche bestimmt.

Wie jetzt? In anderen Fächern machen die PolitikerInnen die Lehrpläne? Na dann, gute Nacht! Wenn ich mir so vorstelle, welche Lehrpläne man da in zehn Jahren Gehrer bekommen hätte können ... Handarbeiten, Handarbeiten, Handarbeiten ... obwohl man das eigentlich ja "Textiles Werken" nennt. Oder soll etwa der Finanzminister den Lehrplan für Rechnungswesen in der Handelsakademie erstellen - stell mir gerade vor, wie Grasser drei Semester für den Unterschied von Nutto und Bretto einplant! Vielleicht sollten sich die Herrschaften einmal darüber informieren, wo Lehrpläne generell gemacht werden! (Wenn sich die SPÖ nicht schon zu sehr für die aks geniert, dann schicken sie vielleicht eineN PolitikerIn aus der vierten Reihe oder eineN AngestellteN).

Der Mythos von der wertneutralen Ethik
Den Rest verbringen die Betreiber der Propagandakampagne damit, althergebrachte Ideen zu ventilieren, die aus gutem Grund bislang keinen Erfolg hatten. Die erste ist die Idee vom wertneutralen Ethikunterricht. Ich will ja garnicht darauf herumhacken, dass Ethik schon allein von der Bedeutung des Wortes her nicht wertneutral ist, sondern schon eine Grundhaltung vorgibt. Aber die Vorstellung einer meinungslosen Lehrperson, die ohne eine eigene Präferenz verschiedene ethische Systeme unterrichtet, also mir würde als Schüler davor Angst und Bange werden, denn da ist reine Paukerei angesagt, denn Diskussion ist dabei von vornherein ausgeschlossen.
Es gibt Länder, wie Frankreich zum Beispiel, da kommen die SchülerInnen auch ohne Religion in der Schule aus.
Ach ja, das Laizisten-Mekka Frankreich! Wie war das noch mit Jugendunruhen einer sinn- und perspektivenlosen Generation, die unter dem Verlust von Werten und Lebensinhalten zu leiden hat? Aber das ist ja Schnee von gestern, 2005 um genau zu sein, seither hat die harte Hand von Vater Staat die Unruhen soweit unter Kontrolle, dass sie es zumindest nicht mehr in die nationalen und internationalen Medien schaffen. Tolles Vorbild, wirklich!

Religionskritik
Dann kommt Religionskritik dran: Wenn man einmal großzügig darüber hinweggeht, dass die einleitende Analyse ChristInnen und KatholikInnen verwechselt, dann hat man auch schon alle Neuigkeiten erfasst. Der Rest: Versatzstücke aus der Religionskritik des 19. Jahrhunderts, die aber nicht einmal auf den philosophischen Atheismus dieser Zeit eingehen. Dann der Hammer: Suren-Zitate aus dem Koran - sehr klug, denn Strache und Westenthaler hätten es nicht anders gemacht!

Sonstiges
Nach dem kürzesten Absatz, den ich je zum Thema Religionskritik geschrieben habe, wird der kommende Diskurs auch nicht gehaltvoller: Der Abschnitt über die Sexualität spult relativ lau die Pflichtpunkte in Sachen Sexualität und Kirche herunter (und das auch noch nicht einmal vollständig, aber: Pst!). Dann wird wiederum ein Bild von katholischen Privatschulen gezeichnet, das darauf schließen lässt, dass die VerfasserInnen diesen Schultyp nur aus zwei Quellen kennen können: Erstens vom Parkplatzsuchen in der Friesgasse und zweitens aus älteren Filmchen. In Sachen Kreationismus dürfte sich die Verfassertätigkeit auf die Tasten Strg, C und V beschränkt haben. Alleiniges Allheilmittel gegen den Kreationismus ist natürlich ein namentlich nicht erwähnter Dawkins (obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ein gewisser "Dawin", der im Artikel genannt wird, jetzt ein falsch geschriebener Darwin oder ein falsch geschriebener Dawkins ist).

Das völlig überraschungsfreie Polemisieren kann wohl kaum beunruhigen. Es zeigt einmal mehr, dass die Organisation, die behauptet, die Interessen der SchülerInnen vertreten zu wollen, keine Ahnung von Schule und Schulwesen hat. Schade eigentlich, denn dort wäre genug im Interesse der SchülerInnen zu tun, wenn man sich auskennen würde. Aber wir wollen ja nur polemiseren!