Mittwoch, 31. Dezember 2008

Zweitausendacht - mehr oder weniger.

Jahresrückblicke sind ein Dauerbrenner in allen Medien. Am Ende weiß man zwar nicht so recht, was es bringen soll, alle Ereignisse von Jänner bis Dezember noch einmal zusammenzufassen, aber eines bringt es den kritischen MedienkonsumentInnen sicherlich: die Auswahl der Ereignisse, die im Jahresrückblick Erwähnung finden, sagt oft mehr über ein Medium aus, als jede Medienanalyse das ganze Jahr über aussagen kann.
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Österreich hat 2008 seinen zwölften Nachkriegs-Bundeskanzler bekommen (wenn man Staatskanzler Renner mitzählt), somit wäre hier einmal das Dutzend voll.
Damit hat es auch einen Alt-Bundeskanzler mehr dazugewonnen, einen anderen allerdings verloren.
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Die politische Landschaft Österreichs hat in diesem Jahr einige profilierte Gesichter verloren: Neben Wiens Altbürgermeister Helmut Zilk (er wird in den meisten Jahresrückblicken am Rande erwähnt) und Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider (er nimmt in manchen Jahresrückblicken ein Drittel der Sendezeit ein) ist in diesem Jahr auch Alt-Bundeskanzler Fred Sinowatz verstorben - das findet schon nur mehr in den sehr umfangreichen Jahresrückblicken Erwähnung. Karl Sekanina entgeht den meisten Jahresrückblicken vollkommen.
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Einen Zuwachs brachte das Jahr 2008 für den Wortschatz der regionalen Wetterdienststellen. Orkan Paula hat dafür gesorgt, dass nicht nur Schulden, sondern auch Wetterphänomene aus der Karibik hier heimisch werden. Der Januar ist wieder viel zu warm, der Sommer gleicht das ganze für den Jahresdurchschnitt aber aus.
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Geld ist vor allem gegen Jahresende das Thema Nummer 1 - die Immobilien-, Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise beherrschte das Jahr 2008 schon lange bevor wir es tatsächlich bemerkt haben. Noch bis in den Spätherbst hinein musste man sich als linke Bazille titulieren lassen, wenn man darauf hinwies, wie Investment-Banker und Analysten mit dem Geld anderer Spekulationsgeschäfte machten. Wer das sagte, galt als realitätsfremd und fortschrittsfeindlich. Der phillipinische Bischof Dinualdo Gutierrez etwa wurde in manchen ach so katholischen Medien auf das wüsteste beschimpft, weil er die Spekulation mit Grundnahrungsmitteln verurteilte und die Kirchenstrafe der Exkommunikation dafür in Erwägung zog.
Jetzt sehen wir das ganz anders.
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Jetzt, wo unser Geld stetig an Wert verliert und die meisten Regierungen sich noch daran bedienen, um die durch Spekulationsverluste in die Krise geratenen Banken zu retten, haben wir wenigstens ein bisschen an Erkenntnis dazugewonnen: Das neoliberale Heuschreckensystem kann nicht dauerhaft ökonomische Grundlage der Gesellschaft sein. Der Preis für diese Erkenntnis ist hoch, und man hätte es sicherlich billiger haben können, wenn nicht breite Teile der Bevölkerungen in den Industrienationen den Dogmen und der Propaganda des Neoliberalismus unreflektiert glauben geschenkt hätten.