Samstag, 3. August 2013

Dringend notwendige Reform des Spießbürgerbildes

Unser aller ausgelagertes Hirn namens Wikipedia meint zum Thema Spießbürger:
Als Spießbürger oder Spießer werden in abwertender Weise engstirnige Personen bezeichnet, die sich durch geistige Unbeweglichkeit, ausgeprägte Konformität mit gesellschaftlichen Normen, Abneigung gegen Veränderungen der gewohnten Lebensumgebung auszeichnen.
Soweit, so gut. Aber woran denken wir so bei dem Begriff? Mal kurz einen Moment zum Nachdenken. Was fällt uns dazu ein ...
  • der gartenzwergsammelnde und kleingartensiedlungbewohnende Frührentner samt Gattin?
  • die grau oder pastellfarben gekleidete und opferstockfütternde Lektorin samt angegrauten Angetrauten?
  • altgediente Fernsehmoderatorinnen mit Polit-Karriere im zweiten Bildungsweg?
  • vielleicht Danzers Kniera?
Von der gebügelten Unterhose bis zu alphabetisch geordneten Gewürzen, von gekennzeichneten Schraubenziehern bis zu perfekt symmetrischen Zaunlatten, all diese Errungenschaften des Spießbürgertums könnten einem da einfallen. Oder ganz originell auch: die bezahlte Sonntagszeitung!

Aber wie sieht nun wirklich der Spießbürger heute aus? Woran erkenne ich heute eine Spießbürgerin? Früher war das irgendwie einfach: Zwischen dreißig und achtzig Jahre alt, vorwiegend männlich, erkennbar an einfallslos korrekter Kleidung bzw. an der geschmackvoll dekorierten Hutablage hinten im Opel.

Spießbürger heute sehen aber anders aus! Wir müssen unser Spießbürgerbild gründlich reformieren, denn der Spießbürger von heute ist zwischen dreißig und acht Jahre alt, vorwiegend weiblich, erkennbar am H&M-Markerl am Bikini bzw. an den jeweils im Privatfernsehen kundgemachten Modediktaten.

Spießbürger früher kleideten sich hochgeschlossen und korrekt, um ihre Prüderie zur Schau zu tragen.
Spießbürger heute kleiden sich sexy und modern, um wenigstens Ihresgleichen über ihre Prüderie hinwegzutäuschen.
Spießbürger früher fuhren Opel oder Volkswagen, heute fahren sie Fahrrad, Rollerskates und U-Bahn.
Spießbürger früher wählten die Volkspartei (wahrscheinlich weil sie so gut zum Volkswagen passt), heute wählen sie Strache oder Grüne. Früher gingen sie in die Kirche und waren aber nicht religiös, heute gehen sie nicht zur Kirche und sind dafür religiös, glauben an den Markt, beten das Geld an, huldigen den Göttern der Gesundheits- und Schlankheitsindustrie und sprechen sich regelmäßig gegenseitig heilig ... 

Da könnte man jetzt weitermachen, so lange man möchte - und wozu? Spießbürger sind doch ein Randphänomen, oder? Ja, früher vielleicht - heute sind sie Mainstream, im Trend, en vogue ...
Vor allem aber: Früher waren Spießbürger ein Relikt aus der Vergangenheit, alternde Menschen denen Modernisierung und gesellschaftliche Veränderung Angstzustände bereiteten. 
Aber heute? Heute sind sie die Zukunft!
Da darf man sich dann schon ein bisserl fürchten ...