Freitag, 1. April 2011

Gerechtigkeitsempfinden?

Jetzt einmal ein Wort zu Gaudium et spes 16, der Gewissensbildung und dem Gerechtigkeitsempfinden - oder genauer gesagt, zum Unrechtsbewusstsein.
Vorher ein Vorwort: Ich habe mich gerade mit Ekel vom Fernseher abgewandt, wo ein deutscher Billigkrimi lief, in dem die Tochter einer untreuen Ehefrau ihrem Brüder wüste Vorwürfe an den Kopf geworfen hat, weil er zusammen mit dem Vater beider zur Aufdeckung des außerehelichen Verhältnisses der Mutter beigetragen hat. Für die Schwester stand außer Zweifel, dass es die Handlungen ihres Bruders waren - und nur die -, die zur Familientragödie führten, die den Stoff für den Kriminalfall lieferte.
Wundert mich das? Nein. Aber es ekelt mich trotzdem immer wieder an.
Ich sollte es ja kennen, vor allem in meinem Beruf. Für viele SchülerInnen besteht auch nicht der geringste Zweifel daran, dass die LehrerInnen für schlechte Noten verantwortlich sind, weil schließlich sind sie es ja, die diese Noten unter die Schularbeiten schreiben. Ebenso steht außer Frage, dass es die LehrerInnen sind, die als VerfasserInnen von Klassenbucheintragungen die Verantwortung für diverse Sanktionen haben, die dann völlig ungerechtfertigterweise die armen SchülerInnen treffen.
Aber man sollte in der Sache nicht zu sehr auf die SchülerInnen abzielen, sie könnten es ja theoretisch noch lernen - wenn man ihnen durch moderne Pädagogik nicht die Möglichkeit dazu genommen hätte und dem Unterrichtsfach, das sich als Relikt früherer Zeiten eventuell noch für solche Lernprozesse anbieten würde, durch ideologieverblendete, altkommunistische Schulpolitik jegliche Wertschätzung verweigern würde und durch ersatzlose Streichbarkeit jegliche Relevanz absprechen würde. Die vielen "wenn" und die ebensovielen Konjunctiva irreales zeigen schon, dass die SchülerInnen, die es trotzdem schaffen, höchste Bewunderung verdienen.
Die Erwachsenen sind da um kein bisschen besser - zwar ist es heute noch teilweise eine Frage des Bildungsniveaus, aber aus Zeiten, wo ich mich noch mit dem intellektuellen Prekariat abgeben musste, ist mir noch ausführlich die Schilderung einer Anhaltung wegen Schnellfahrens in Erinnerung, bei der auch kein Zweifel aufkommen konnte, dass die Schuld für die verhängte Strafe exklusiv beim amtshandelnden Polizisten zu suchen sei.
Wo kämen wir denn da hin, wenn sich jemand für seine Handlungen selbst verantwortlich fühlen müsste. Sowas machen doch nur Schwächlinge, Modernisierungsverlierer, altmodische Schrullis - wie unser Herr Erzbischof sagen würde - und jämmerliche Opfer - wie heutige SchülerInnen sagen würden.