Wieder einmal hat Erzbischof Schönborn einen Medienauftritt genutzt, um die sicherlich unterstützenswerte Forderung nach einer kinderfreundlicheren Gesellschaft zu propagieren. Diesmal bemühte er eine Statistik, die Prof. Zulehner vorgelegt haben soll, wonach die Geburtenrate bei "Sonntagsmessbesuchern" (ich nehme an, er meinte -innen) um einiges höher liegt als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung: 2,66 zu 1,4.
Eine schöne Statistik, allerdings sagt sie wiederum nicht das aus, was vorgegeben wird: Die BesucherInnen der Sonntagsgottesdienste sind bei Weitem nicht kinderfreundlicher als der Bevölkerungsdurchschnitt, auch wenn sie statistisch fast doppelt so viele Kinder zur Welt bringen.
Helmut Schüller hat es neulich in einem Interview für die Sendung "Orientierung" angesprochen: Das Problem wäre nicht, dass es zu wenige Kinder gebe, man habe oft eher das Problem, wo die kleinen während des Gottesdienstes so überall sind. Bis zu diesem Punkt scheint der Kardinal mit Hilfe der Statistik gefolgt zu sein, doch nun wäre der nächste Gedankenschritt notwendig: Kinderfreundliche Kirchgänger!
Kinderfreundlichkeit, und das sollte sich einmal bis in die Wollzeile durchsprechen, erkennt man nicht an der statistischen Anzahl von Geburten sondern an der Art und Weise, wie eine Gesellschaft Kindern und deren Eltern gegenübertritt.
In seltenen Fällen findet man wirklich kinderfreundliche Pfarrgemeinden, in denen Kinder im Sonntagsgottesdienst einen Platz haben, ohne von den anderen als Störung empfunden zu werden. Manche lösen das kreativ, indem sie einen solchen Raum schaffen. Andere wiederum scheinen keine Lösung zu suchen und können bestenfalls einen Kinder- oder Familiengottesdienst - oft nur einen pro Monat - anbieten. In diesem Gottesdienst sind Kinder dann willkommen (bisweilen sogar mehr, als ihnen lieb ist). Den Rest der Zeit haben sie gefälligst ruhig zu sein, sich unauffällig zu verhalten, am besten so, dass die anderen KirchgängerInnen garnicht merken, dass Kinder anwesend sind.
Ich habe noch im Ohr, als ein Kaplan während eines Sonntagsgottesdienstes durch das Mikrophon eine Mutter aufforderte, sie möge der Messe doch von der Sakristei aus folgen, weil das schreiende Kind störte.
Ich erinnere mich noch an die bösen Blicke aus den vorderen Reihen, als die Tochter einer Bekannten just während der ach so heiligen Wandlungsworte sich lautstark erkundigte, wieso der Mann da vorne ein Kleid anhabe.
Von bissigen Bemerkungen älterer Glaubensgeschwister über Kinder, die sich während des Gottesdienstes von ihrem Platz in der Bank wegbewegten, könnte ich seitenweise berichten.
Kinder stören die Andacht, lärmen und rennen herum, und die Eltern haben heutzutage überhaupt die Erziehung nicht mehr im Griff, weil bei uns damals hätte es das nicht gegeben.
Das ist es nicht, was ich mir unter einer kinderfreundlichen MessbesucherInnenschaft vorstelle!
Wenn wir irgendwann die Zeichen der Zeit verstanden haben werden und den Forderungen unseres Bischofs nachkommend nicht mehr monatlich einmal einen Familiengottesdienst anbieten, sondern bei Bedarf einmal monatlich einen familienfreien Gottesdienst, bei dem keine Kinder die Andacht stören, dann reden wir weiter über kinderfreundliche MessbesucherInnen.