Die ermüdende ewige Widerkehr des Gleichen, wie sie der Religionskritiker Friedrich Nietzsche beklagt hatte, hat heute die Fraktion der AtheistInnen befallen: Wieder einmal wird mit Kreuzzügen und Hexenprozessen politische Argumentation vorgetäuscht. Das einzig Neue daran ist der offensichtliche Versuch, aus dem psychischen und physischen Leid von Missbrauchsopfern politisches Kleingeld zu schlagen. Das ist auch erlaubt, denn die Gebote der Gottes- und Nächstenliebe - die durch den Missbrauch genau von jenen verletzt wurden, von denen man eigentlich erwarten darf, dass sie nach immer besserer Erfüllung dieser Gebote trachten - gelten für AtheistInnen natürlich nicht.
Trotzdem mutet es etwas seltsam an, dass beim Internetauftritt des aktuell laufenden Volksbegehrens unter der Rubrik "Kirchenprivilegien" sobald man den Mauszeiger daraufführt als erster Punkt "sexueller Missbrauch" aufgelistet ist. Da muss man schon einmal klarstellen, was den InitiatorInnen der Sache offensichtlich nicht geläufig ist:
Sexueller Missbrauch ist kein Privileg - es ist ein Verbrechen!
Ich muss gestehen, ich weiß nicht, ob es in der Geschichte der Menschheit irgendwann ein politisches System gab, bei dem es ein Privileg des sexuellen Missbrauchs gegeben hat. Wahrscheinlich denke ich da aber auch schon wieder zu viel nach, vermutlich hat nur jemand aus irgendeiner Robin-Hood-Film-Parodie die Geschichte mit dem ius primae noctis noch im Gedächtnis gehabt.
Viel Nachzudenken ist in der Auseinandersetzung mit dem Laizismus ohnehin nicht die richtige Herangehensweise. Bekannt ist, dass der Laizismus bei seinem Verständnis der Religionsfreiheit dem Modell der negativen Freiheit folgt. Die so definierte negative Religionsfreiheit lässt sich auf den Satz - oder besser: die Parole - bringen: Religion ist Privatsache!
Das Judentum, eine der ältesten noch praktizierten Religionen, ist Sache des Volkes - keine Privatsache.
Das Christentum ist zutiefst auf Gesellschaft und Gemeinde ausgelegt - keine Privatsache.
Der Islam kennt diese Unterscheidung überhaupt nicht, im Gegenteil entwickeln gerade die dominanten Richtungen regelrechte Gottesstaaten mit eigenem religiösen Rechtssystem - keine Privatsache.
Wenn die vielen verschiedenen Einzelreligionen, die wir gerne unter dem Begriff Hinduismus zusammenfassen, eine große Gemeinsamkeit haben, dann ist es die Vorstellung, dass Religion den gesamten Alltag prägt, bis hin zum geschlossenen Gesellschaftssystem des Kastenwesens - keine Privatsache.
Mag sein, dass man aufgrund der Tatsache, dass vom Buddhismus die ausgeprägte Individualeschatologie meist das einzige ist, das wir im Westen vom Buddhismus kennen, hier Zweifel aufkommen - aber ein Blick auf das ethische Kernstück des Achtfachen Pfades genügt, um zu sehen, auch Buddhismus keine Privatsache.
Die römischen und griechischen Polytheismen, die allesamt brutal ausgerotteten Urreligionen der arabischen Halbinsel, die indigenen Religionen Lateinamerikas, alle zusammen sind/waren sie alles andere als Privatsache.
Schon möglich, dass die Aussage "Religion ist Privatsache" auf den Glauben einzelner Esoterik-Shop-KundInnen zutrifft, damit hat sichs aber auch schon wieder.
Wer also postuliert: "Religion ist Privatsache" greift damit in den Glauben der Religionen ein, indem er ihren Glauben ganz oder teilweise inhaltlich regulieren will - und das kann man mir beim besten Willen nicht als Religionsfreiheit verkaufen.
Davon abgesehen: Religion gehört zu den Menschen und Menschen sind keine Privatsache, zumindest nicht in der Staatsform der Republik - der res publica.
Montag, 25. April 2011
Freitag, 1. April 2011
Gerechtigkeitsempfinden?
Jetzt einmal ein Wort zu Gaudium et spes 16, der Gewissensbildung und dem Gerechtigkeitsempfinden - oder genauer gesagt, zum Unrechtsbewusstsein.
Vorher ein Vorwort: Ich habe mich gerade mit Ekel vom Fernseher abgewandt, wo ein deutscher Billigkrimi lief, in dem die Tochter einer untreuen Ehefrau ihrem Brüder wüste Vorwürfe an den Kopf geworfen hat, weil er zusammen mit dem Vater beider zur Aufdeckung des außerehelichen Verhältnisses der Mutter beigetragen hat. Für die Schwester stand außer Zweifel, dass es die Handlungen ihres Bruders waren - und nur die -, die zur Familientragödie führten, die den Stoff für den Kriminalfall lieferte.
Wundert mich das? Nein. Aber es ekelt mich trotzdem immer wieder an.
Ich sollte es ja kennen, vor allem in meinem Beruf. Für viele SchülerInnen besteht auch nicht der geringste Zweifel daran, dass die LehrerInnen für schlechte Noten verantwortlich sind, weil schließlich sind sie es ja, die diese Noten unter die Schularbeiten schreiben. Ebenso steht außer Frage, dass es die LehrerInnen sind, die als VerfasserInnen von Klassenbucheintragungen die Verantwortung für diverse Sanktionen haben, die dann völlig ungerechtfertigterweise die armen SchülerInnen treffen.
Aber man sollte in der Sache nicht zu sehr auf die SchülerInnen abzielen, sie könnten es ja theoretisch noch lernen - wenn man ihnen durch moderne Pädagogik nicht die Möglichkeit dazu genommen hätte und dem Unterrichtsfach, das sich als Relikt früherer Zeiten eventuell noch für solche Lernprozesse anbieten würde, durch ideologieverblendete, altkommunistische Schulpolitik jegliche Wertschätzung verweigern würde und durch ersatzlose Streichbarkeit jegliche Relevanz absprechen würde. Die vielen "wenn" und die ebensovielen Konjunctiva irreales zeigen schon, dass die SchülerInnen, die es trotzdem schaffen, höchste Bewunderung verdienen.
Die Erwachsenen sind da um kein bisschen besser - zwar ist es heute noch teilweise eine Frage des Bildungsniveaus, aber aus Zeiten, wo ich mich noch mit dem intellektuellen Prekariat abgeben musste, ist mir noch ausführlich die Schilderung einer Anhaltung wegen Schnellfahrens in Erinnerung, bei der auch kein Zweifel aufkommen konnte, dass die Schuld für die verhängte Strafe exklusiv beim amtshandelnden Polizisten zu suchen sei.
Wo kämen wir denn da hin, wenn sich jemand für seine Handlungen selbst verantwortlich fühlen müsste. Sowas machen doch nur Schwächlinge, Modernisierungsverlierer, altmodische Schrullis - wie unser Herr Erzbischof sagen würde - und jämmerliche Opfer - wie heutige SchülerInnen sagen würden.
Vorher ein Vorwort: Ich habe mich gerade mit Ekel vom Fernseher abgewandt, wo ein deutscher Billigkrimi lief, in dem die Tochter einer untreuen Ehefrau ihrem Brüder wüste Vorwürfe an den Kopf geworfen hat, weil er zusammen mit dem Vater beider zur Aufdeckung des außerehelichen Verhältnisses der Mutter beigetragen hat. Für die Schwester stand außer Zweifel, dass es die Handlungen ihres Bruders waren - und nur die -, die zur Familientragödie führten, die den Stoff für den Kriminalfall lieferte.
Wundert mich das? Nein. Aber es ekelt mich trotzdem immer wieder an.
Ich sollte es ja kennen, vor allem in meinem Beruf. Für viele SchülerInnen besteht auch nicht der geringste Zweifel daran, dass die LehrerInnen für schlechte Noten verantwortlich sind, weil schließlich sind sie es ja, die diese Noten unter die Schularbeiten schreiben. Ebenso steht außer Frage, dass es die LehrerInnen sind, die als VerfasserInnen von Klassenbucheintragungen die Verantwortung für diverse Sanktionen haben, die dann völlig ungerechtfertigterweise die armen SchülerInnen treffen.
Aber man sollte in der Sache nicht zu sehr auf die SchülerInnen abzielen, sie könnten es ja theoretisch noch lernen - wenn man ihnen durch moderne Pädagogik nicht die Möglichkeit dazu genommen hätte und dem Unterrichtsfach, das sich als Relikt früherer Zeiten eventuell noch für solche Lernprozesse anbieten würde, durch ideologieverblendete, altkommunistische Schulpolitik jegliche Wertschätzung verweigern würde und durch ersatzlose Streichbarkeit jegliche Relevanz absprechen würde. Die vielen "wenn" und die ebensovielen Konjunctiva irreales zeigen schon, dass die SchülerInnen, die es trotzdem schaffen, höchste Bewunderung verdienen.
Die Erwachsenen sind da um kein bisschen besser - zwar ist es heute noch teilweise eine Frage des Bildungsniveaus, aber aus Zeiten, wo ich mich noch mit dem intellektuellen Prekariat abgeben musste, ist mir noch ausführlich die Schilderung einer Anhaltung wegen Schnellfahrens in Erinnerung, bei der auch kein Zweifel aufkommen konnte, dass die Schuld für die verhängte Strafe exklusiv beim amtshandelnden Polizisten zu suchen sei.
Wo kämen wir denn da hin, wenn sich jemand für seine Handlungen selbst verantwortlich fühlen müsste. Sowas machen doch nur Schwächlinge, Modernisierungsverlierer, altmodische Schrullis - wie unser Herr Erzbischof sagen würde - und jämmerliche Opfer - wie heutige SchülerInnen sagen würden.
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