Donnerstag, 26. Februar 2009

Weniger Arbeiten!

Frau Unterrichtsministerin will die Lehrverpflichtung der LehrerInnen erhöhen und was machen die Medien? Klar doch, sie kommunizieren an die Öffentlichkeit, dass LehrerInnen mehr arbeiten müssten. Doch das Gegenteil ist der Fall!
Ein Vollbeschäftigter Lehrer soll derzeit ein Arbeitspensum von 38,5 Stunden erbringen. Dabei soll er - je nach Fach - ca. 20 Stunden unterrichten und den Rest der Zeit in diverse Nebenverpflichtungen, vor allem aber in Fortbildung und Unterrichtsvorbereitung investieren.
Mein Unterrichtsfach ist eines der Vorbereitungsintensivsten, auch wenn es nicht so bewertet ist. Wenn ich während irgendeiner Unterrichtswoche meine Tätigkeiten nach 2310 Minuten einstellen würde, müsste ich in der darauf folgenden Woche schon ein Drittel der Stunden ausfallen lassen, weil keine Zeit mehr wäre, sie vorzubereiten.
Gehen wir ins Detail: Im Unterricht verbringe ich jede Woche 1000 Minuten, dazu kommen 200 Minuten Supplierbereitschaften und Sprechstunden und 30 Minuten Gangaufsicht. Die nötige Unterrichtsreflexion und die Anpassung der getroffenen Vorbereitungen an die Unterrichtsereignisse nehmen im Schnitt pro Woche 200 Minuten in Anspruch. Bleiben 880 Minuten, um darin unterzubringen:
  • Unterrichtsvorbereitungen für 20 Stunden inklusive Beschaffung, Begutachtung, Aufbereitung und Transport von Materialien.
  • Vorbereitung von Projekten, Lehrausgängen, Unterrichtsschwerpunkten.
  • Koordination von klassen- und fächerübergreifenden Unterrichtsthemen.
  • Fort- und Weiterbildung sowohl fachlich als auch pädagogisch.
Zähle ich das alles zusammen, nehme noch die Elternsprechtage und Konferenzen dazu, dann bleibt von den unterrichtsfreien Zeiten, in die gezwungenermaßen schon die meiste Weiterbildung und Vorbereitung verlagert werden muss, nicht einmal genug übrig, um diese Zeiten als Zeitausgleich zu verbuchen. Rechne ich dann noch die fünf Wochen im Jahr ab, die ich mich laut Gesetz "vom Dienstort entfernen" darf - Urlaub gibt es ja für LehrerInnen nicht -, dann darf am Ende nur mehr der burn-out-bedingte Krankenstand als Privileg verbucht werden.

Eine Ausweitung der Unterrichtsverpflichtung kann daher nur bedeuten: LehrerInnen müssen weniger arbeiten! Denn in der Zeit, die sie mehr unterrichten und dieses Mehr an Unterricht vorbereiten, machen sie
  • weniger Weiterbildung,
  • weniger Reflexion,
  • weniger pädagogische Arbeit
  • und vor allem weniger Unterrichtsvorbereitung.
Tolle Bildungsreform!

Freitag, 13. Februar 2009

Bruder Pius, Schwester Islam

Gelassenheit fällt dieser Tage schwer, wenn man in einschlägigen Berufen arbeitet, die direkt oder indirekt mit Religion und Kirche zu tun haben. Es kostet schon einiges an Aufmerksamkeit, den Überblick zu behalten: Holocaustleugnende Altritualisten werden rehabilitiert, resche Dorfpfarrer zum Bischof geweiht, die Homosexualität beschäftigt den Klerus wieder und so nebenbei läuft noch ein Sturmlauf nicht nur gegen islamische ReligionslehrerInnen.

Das
Konzil vergessen?
Immer dann, wenn Themen eine besondere Aufregung erzeugen, ist auch die Gefahr da, dass man allzuleicht etwas übersieht. Sicherlich ist Williamson mit seiner Holocaust-Leugnung der Kern des Problems, doch die antisemitischen Tendenzen innerhalb der Piusbruderschaft sind weder neu, noch auf Williamson beschränkt. Es bleibt zu hoffen, dass man das angesichts der vielleicht bevorstehenden, aber immer noch ausständigen Erklärung Williamsons genausowenig vergessen wird wie die kirchenintern viel wichtigere Frage der Anerkennung des Konzils.
Nicht nur die Anerkennung des II. Vaticanums dem Wortlaut seiner Texte nach müsste gefordert werden, sondern auch die Anerkennung des Geistes, der das Konzil getragen hat. Denn - seien wir uns ehrlich - einer Kirche, die aus der Bibel die Berechtigung abliest, Waffensegnungen praktizieren zu dürfen, aber die Berechtigung nicht erkennen kann, Verheiratete und Frauen zum Priesteramt zuzulassen, der ist bei der Interpretation des Wortlautes der Konzilstexte auch einiges zuzutrauen. Umso mehr, zumal die Texte ja das Ergebnis von Verhandlungen sind und Kompromissformulierungen enthalten.

Hurrican, Harry Potter, Homosexualität
Andere Baustelle: Die Rundumschläge des designierten Weihbischofs Wagner. Windischgarsten in der Diözese Linz wird seinen Pfarrer los, was nach den Berichten der entsprechend schlagseitigen Medien den Gläubigen dort das Herz bluten lässt. Wenn dem so wäre, dann wäre es doch ein gebotener Akt der väterlichen Barmherzigkeit, diesem dringenden, pastoralen Bedürfnis der dortigen Gemeinde nachzugeben und dem administrative Anliegen unterzuordnen - aber das nur nebenbei. Ein Pfarrer, der dem Geiste nach aus einer Zeit lang vor Don Camillo stammt, markige Predigten drauf hat und donnernd gegen die neuen Zeiten wettert, wäre wahrscheinlich genauso wie die Piusbrüder jederzeit bereit, den Antimodernisteneid Pius' des X. abzulegen, je nach Opportunität jegliches Ereignis als Fingerzeig Gottes zu interpretieren, solange es sich irgendwie in seinem Sinn auslegen lässt, und aus Prinzip alle Bücher, die er selbst nicht gelesen hat (und das scheinen viele zu sein) für gefährlich zu erklären.

Mir fällt nur eine gesellschaftliche Gruppe ein, die mit dieser Bestellung wirklich ihre Freude haben könnte: die der vehementen Kirchenkritiker: Endlich hat man jemanden gefunden, auf den selbst die abstrusesten Vorwürfe zutreffen. Da fragt man sich doch glatt, ob Richard Dawkins, Burkhard Müller, Michael Schmidt-Salomon, Robert Misik und wie sie alle heißen eigentlich schon zur Ernennung gratuliert haben. Vielleicht sollten sie das tun - irgendwer muss es ja machen.

Islam: Wissenschaftliche Bildung wurde sträflich vernachlässigt
Das bringt uns zur dritten Baustelle, dem Religionsunterricht: Hier steht der Islam in der Schusslinie, wahrscheinlich auch nicht zu Unrecht. Während man auf die islamischen ReligionslehrerInnen medial losgeht und zumindest die genannte Gruppe immer wieder den Versuch unternimmt, die Angriffe auf den Religionsunterricht allgemein auszudehnen, fragt sich niemand, warum diese spezielle Situation überhaupt entstehen konnte. Die Versäumnisse in der Bildungspolitik des vergangenen Jahrhunderts waren es, die maßgeblich dazu beigetragen haben.
Der islamische Religionsunterricht wurde erst in den frühen 1980ern an den öffentlichen Schulen eingeführt, obwohl die Religionsgemeinschaft seit 1912 ein anerkanntes Bekenntnis ist und das aktuelle Religionsunterrichtsgesetz seit 1949 gilt.
Eine Ausbildung für islamische ReligionslehrerInnen an Pflichtschulen gibt es seit - festhalten, hinsetzen - 1998! Und wem das noch nicht skandalös genung erscheint: Ein universitäres Studium als adäquate, wissenschaftliche Berufsvorbildung für Islam-LehrerInnen an AHS und BHS gibt es seit dem 1. Oktober 2006, das heißt es könnten frühestens im Schuljahr 2011/12 die ersten adäquat ausgebildeten LehrerInnen für islamische Religion ihr Unterrichtspraktikum beginnen.

Dazu nun eine durch diverse Studien belegte Binsenweisheit: die Gefahr, sich von fundamentalistischen Kreisen innerhalb der Religion angesprochen zu fühlen, nimmt mit der fachlich-wissenschaftlichen Bildung in der Religion deutlich ab, also: Religiöse Bildung schützt vor Fundamentalismus. Und ich sehe keinen Grund, zu bezweifeln, dass das auch für ReligionslehrerInnen gilt.